Блейк Пирс - So Gut Wie Vorüber стр 16.

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„Nach oben“, befahl sie und versuchte, streng zu klingen. Aber ihre Stimme war durch die Anstrengung hoch und ungleichmäßig.

„Ich will nach draußen gehen“, kündigte Marc an und sprintete auf die Glastür zu. Cassie, die sich daran erinnerte, wie er ihr im Wald ausgebüxt war, sprintete ihm nach. Als sie ihn einholte, hatte er bereits die Tür aufgeschlossen, doch sie war in der Lage, ihn festzuhalten und daran zu hindern, sie zu öffnen. Sie sah ihr Spiegelbild im dunklen Glas. Ein Junge mit rebellischem Haar und einem eigensinnigen Gesichtsausdruck – und sich selbst. Ihre Finger hielten ihn an den Schultern gepackt, ihre Augen groß und nervös, das Gesicht so weiß wie Schnee.

Sich in diesem unerwarteten Moment selbst zu sehen, machte ihr klar, wie gewaltig sie in ihren Pflichten bisher versagt hatte. Seit ihrer Ankunft war ein voller Tag vergangen und sie war nicht eine einzige Minute in Kontrolle gewesen. Sie würde sich selbst etwas vormachen, wenn sie anders denken würde. Ihre Erwartungen, in die Familie hineinzupassen, von den Kindern geliebt oder zumindest gemocht zu werden, hätte nicht unrealistischer sein können. Sie hatten keinen Funken Respekt vor ihr und sie hatte keine Ahnung, wie sie das ändern konnte.

„Schlafenszeit“, wiederholte sie müde. Mit der linken Hand fest auf Marcs Schulter entfernte sie den Schlüssel aus dem Schloss. Sie befestigte ihn an einem Haken, den sie hoch oben an der Wand entdeckt hatte. Dann ging sie mit Marc nach oben, ohne ihn loszulassen. Ella trottete neben ihnen her und Antoinette folgte ihnen bedrückt. Ohne gute Nacht zu sagen knallte sie ihre Schlafzimmertür hinter sich zu.

„Möchtest du, dass ich dir eine Geschichte vorlese?“, fragte sie Marc, doch der schüttelte den Kopf.

„Na schön. Dann ab ins Bett. Wenn du gleich schläfst, kannst du morgen früher aufstehen und mit deinen Soldaten spielen.“

Es war die einzige Motivation, an die sie denken konnte, aber es schien zu funktionieren. Oder die Müdigkeit hatte den Jungen doch endlich eingeholt. Jedenfalls tat er, zu ihrer Erleichterung, wie ihm geheißen. Sie deckte ihn zu und bemerkte, dass ihre Hände vor reiner Erschöpfung zitterten. Wenn er einen weiteren Ausbruchsversuch unternahm, würde sie in Tränen ausbrechen, das wusste sie. Sie war nicht überzeugt, dass er im Bett bleiben würde, aber fürs erste zumindest war ihr Job getan.

„Ich will eine Geschichte.“ Ella zog an ihrem Arm. „Liest du mir eine vor?“

„Natürlich.“ Cassie ging mit in ihr Zimmer und suchte ein Buch aus dem mäßig bestückten Regal aus. Ella sprang ins Bett und hüpfte aufgeregt auf der Matratze herum. Cassie fragte sich, wie oft ihr in der Vergangenheit vorgelesen wurde, da es kein normaler Teil ihrer Routine zu sein schien. Aber vermutlich war nichts ans Ellas Kindheit bisher normal verlaufen.

Sie las die kürzeste Geschichte, die sie finden konnte, doch natürlich Ella forderte eine zweite. Die Worte verschwammen vor ihren Augen, als sie das Ende erreichte und sie klappte das Buch zusammen. Zu ihrer Erleichterung sah Cassie, dass sich Ella durch das Vorlesen beruhigt hatte und eingeschlafen war.

Sie schaltete das Licht aus und schloss die Tür. Als sie den Gang entlanglief, sah sie so leise sie konnte nach Marc. Zum Glück war das Zimmer noch immer dunkel und sie hörte weiches und gleichmäßiges Atmen.

Als sie Antoinettes Tür öffnete, war das Licht noch an. Antoinette saß auf ihrem Bett und schrieb in ein pinkfarbenes Buch.

„Du klopfst, bevor du reinkommst“, schalt sie Cassie. „Das ist eine Regel.“

„Es tut mir leid. Ich verspreche, mich in Zukunft daran zu halten“, entschuldigte sich Cassie. Sie fürchtete, Antoinette würde die gebrochene Regel in eine Diskussion ausweiten, aber stattdessen wandte sie sich wieder ihrem Notizbuch zu und schrieb noch ein paar Worte, bevor sie es schloss.

„Machst du noch Hausaufgaben?“, fragte Cassie überrascht, da ihr Antoinette nicht als jemand vorkam, der Dinge bis zur letzten Minute herauszögerte. Ihr Zimmer war makellos. Die Kleidung, die sie zuvor ausgezogen hatte, lag gefaltet im Wäschekorb und ihr ordentlich gepackter Schulranzen stand unter einem perfekt aufgeräumten, weißen Schreibtisch.

Sie fragte sich, ob Antoinette das Gefühl hatte, dass ihrem Leben Kontrolle fehlte und sie deshalb versuchte, diese in ihrer direkten Umgebung selbst auszuüben. Oder vielleicht versuchte das dunkelhaarige Mädchen zu beweisen, dass sie niemanden brauchte, der sich um sie kümmerte. Schließlich hatte sie klargemacht, die Anwesenheit eines Au-Pairs ganz furchtbar zu finden.

„Meine Hausaufgaben sind fertig. Ich habe in mein persönliches Tagebuch geschrieben“, erklärte Antoinette.

„Machst du das jeden Abend?“

„Nur, wenn ich wütend bin.“ Sie setzte ihrem Stift den Deckel auf.

„Tut mir leid, was heute Abend passiert ist“, meinte Cassie mitfühlend. Sie hatte das Gefühl, sich auf Eis zu bewegen.

„Margot hasst mich und ich hasse sie“, sagte Antoinette und ihre Stimme bebte ein bisschen.

„Ich glaube nicht, dass das stimmt“, protestierte Cassie, aber Antoinette schüttelte den Kopf.

„Das tut es. Ich hasse sie. Ich wünschte, sie wäre tot. Sie hat Dinge wie heute schon öfter zu mir gesagt. Es macht mich so wütend, ich könnte sie umbringen.“

Cassie starrte sie schockiert an.

Es waren nicht nur Antoinettes Worte, sondern die Ruhe, mit der sie diese aussprach. Sie hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren sollte. War es normal für eine Zwölfjährige, solch mörderische Gedanken zu hegen? Sicherlich wäre es sinnvoll für Antoinette, jemanden zu haben, der ihr dabei helfen konnte, mit ihrem Ärger umzugehen. Eine qualifizierte Person wie einen Berater, einen Psychologen oder gar einen Gemeindepfarrer.

Da aber keine kompetentere Person anwesend war, musste Antoinette eben mit ihr vorliebnehmen.

Cassie durchsuchte ihre eigenen Erinnerungen und versuchte, sich daran zu erinnern, was sie in dem Alter gesagt oder getan hatte. Wie hatte sie reagiert, wenn sie das Gefühl hatte, dass ihr Leben außer Kontrolle geriet? Hatte sie je den Wunsch verspürt, jemanden umzubringen?

Plötzlich erinnerte sie sich an eine der Freundinnen ihres Vaters. Elaine, eine Blondine mit langen, roten Fingernägeln und einem hohen, kreischenden Lachen. Sie hassten einander auf den ersten Blick. Während den sechs Monaten, die Elaine in ihrem Leben verbrachte, hatte Cassie sie mit ganzem Herzen verabscheut. Sie konnte sich nicht daran erinnern, sie totgewünscht zu haben, aber sie wollte auf jeden Fall, dass sie aus ihrem Leben verschwand.

Vermutlich war es das gleiche. Antoinette war lediglich direkter.

„Was Margot gesagt hat, war absolut nicht fair“, stimmte Cassie ihr zu, denn das war die Wahrheit. „Aber Menschen sagen, wenn sie wütend sind, Dinge, die sie nicht meinen.“

Natürlich waren Worte, die aus Wut gesprochen wurden, auch meistens wahr, aber in diese Richtung wollte sie jetzt nicht gehen.

„Oh, sie hat es gemeint“, versicherte Antoinette ihr. Sie spielte mit ihrem Stift und drehte den Deckel gewaltsam von links nach rechts.

„Und Papa ist nun immer auf ihrer Seite. Er denkt nur an sie und niemals an uns. Es war ganz anders, als meine Mutter noch am Leben war.“

Cassie nickte mitfühlend. Sie hatte dieselbe Erfahrung gemacht.

„Ich weiß“, sagte sie.

„Woher?“ Antoinette sah sie neugierig an.

„Meine Mutter ist gestorben, als ich noch klein war. Mein Vater hat ebenfalls neue Freundinnen – ähm, ich meine Verlobte – mit nach Hause gebracht. Das hat für viel Streit und Abneigung gesorgt. Sie mochten mich nicht, ich mochte sie nicht. Zum Glück hatte ich eine ältere Schwester.“

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