Probyn starrte ihn leicht verwundert an.»Wir stießen um die Mittagszeit auf die Barkentine, Sir. Ich hielt sie für einen Blockadebrecher, der an unseren Patrouillen vorbei wollte; daher gab ich ihr Signal, beizudrehen. «Er spürte die Mißbilligung Bolithos und räumte ein:»Ich weiß, wir sollen die amerikanische Neutralität respektieren, aber»
«Da gibt's kein Aber.»
Bolitho warf einen Blick auf die beiden Rudergänger des Schiffes. Sie sahen aus, als hätten sie noch dieselben Kleider an wie seinerzeit, als sie vom Preßkommando geschnappt worden waren. Alle Kommandanten wußten, wie er darüber dachte. Er hatte schriftliche Order gegeben, daß jeder neue Mann, ob Gepreßter oder Freiwilliger, sein Leben an Bord in einer Garnitur ordentlicher Dienstkleidung beginnen sollte. Das war etwas so Billiges und zugleich Wichtiges, daß er sich immer wieder über die Dummheit mancher Kommandanten wunderte, die so geizig waren, daß sie keine Dienstkleidung ausgaben, bis die Männer nur noch Fetzen auf dem Leibe hatten. Probyn wußte das sehr gut und hatte auch so getan, als fände er es ganz in der Ordnung. Aber anscheinend war das ein Fall von» Aus den Augen, aus dem Sinn«. Nun, damit würde er sich später befassen.
«Was also war Ihr wirklicher Grund?»
Probyn ging voran in seine Kajüte.»Ich bin sehr knapp an Leuten, Sir. Ich mußte von England auslaufen, ehe ich richtig Gelegenheit zum Rekrutieren hatte, sonst.»
Bolitho starrte ihn an.»Und nun haben Sie ein Preßkommando auf ein amerikanisches Schiff geschickt?»
Probyn schwieg einen Moment und blickte Bolitho vorwurfsvoll an.»Es ist allgemein bekannt, daß auf der anderen Seite Jahr für Jahr viele Hunderte unserer Matrosen zur amerikanischen Flagge desertieren.»
Bolitho wußte das auch. Es war in der Tat ein wunder Punkt zu beiden Seiten des Atlantik. Die britische Regierung hatte erklärt, daß sie jeden amerikanischen Matrosen als rechtmäßige Verstärkung für ihre unterbesetzten Kriegsschiffe betrachte, es sei denn, der betreffende Kapitän konnte für jeden in Frage kommenden Mann eine Staatsangehörigkeitsurkunde vorlegen.
Der amerikanische Präsident trat seinerseits ebenso entschieden auf. Er hatte erklärt, wenn ein Mann auf einem amerikanischen Schiff angeheuert habe, so sei das Beweis genug, daß er Amerikaner sei. Dokumente könnten vernichtet oder ignoriert werden, die amerikanische Flagge nicht.
«Wir haben Geschützfeuer gehört«, erinnerte Bolitho.
Probyn ging an dem Posten stehenden Marine-Infanteristen vorbei und erwiderte:»Der Yankee wollte trotz meines Warnschusses nicht beidrehen. Das lasse ich mir von niemandem bieten. «Zögernd ging er durch die Diele voran und trat in die Kajüte. Jetzt endlich schien er unsicher zu werden.»Ich habe den Kapitän an Bord, Sir. Unter Bewachung. Da Sie hier sind, übergebe ich ihn wohl am besten Ihnen.»
Bolitho musterte ihn kalt.»Bringen Sie mich zu ihm.»
Der Kapitän der Barkentine saß in der Achterkajüte. Ein dienstälterer Midshipman Probyns leistete ihm Gesellschaft. Nun stand der Amerikaner auf und beäugte Bolitho
mit offensichtlicher Überraschung.»Also gibt es doch noch einen Vorgesetzten, eh?«Er sprach mit einem weichen Akzent, aber trotzdem war ihm anzuhören, daß er wütend war.
«Ich bin Richard Bolitho, Kommodore dieses Geschwaders. Wie ich höre, haben Sie sich geweigert, beizudrehen«, sagte er und ging zum Fenster.
Hitzig erwiderte der Amerikaner:»Beidrehen, zum Teufel! Ich verdiene mein Geld schwer genug, ohne daß ich mich von einem verdammten Engländer beschießen lassen muß!»
Bolitho nahm Platz und sah ihn sich an: ein untersetzter Mann mit sauber gestutztem, braunem Bart, ungefähr so alt wie er.
«Und Ihr Name?»
Gereizt erwiderte der Amerikaner Bolithos prüfenden Blick.»Kapitän John Thurgood. Aus New Bedford.»
«Nun, Captain Thurgood aus New Bedford«, lächelte Bolitho,»in Kriegszeiten hat ein Schiff des Königs nie genug Mannschaften, das ist des Kommandanten ständige Sorge.»
Thurgood setzte sich wieder, ohne von Probyn Notiz zu nehmen.»Das ist und bleibt Ihr Problem, Kommodore. Ich führe nicht Krieg, und meine Männer sind nicht für König George da. «Er lok-kerte sich etwas.»Meine Regierung wird aufs schärfste protestieren und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, wenn ich mich beschwere. »
Bolitho nickte.»Das ist Ihr gutes Recht, Captain. Aber Sie wissen ebenso wie ich, daß eine ganze Menge Ihrer Leute so wenig amerikanisch sind wie die Westminster Abbey. «Er hob die Hand.»Ich weiß, was Sie sagen wollen. Spielt auch keine Rolle. Sie sind offenbar ein gescheiter Mann, und es hat keinen Sinn, daß wir uns streiten. «Er stand auf.»Ich werde Sie auf Ihre schöne Barkentine zurückbringen lassen und Ihnen ein kleines Geschenk schicken: exzellenten Käse aus England. Ich hoffe, es kann den Ärger lindern, den wir Ihnen verursacht haben, wenn auch nicht ungeschehen machen.»
Thurgood sprang auf.»Sie meinen, ich kann gehen?«Völlig überrascht starrte er erst Bolitho und dann dem wutschnaubenden Probyn ins Gesicht.»Also, da soll mich doch.»
«Und Ihre Fracht, Captain? Darf ich mich erkundigen, was Sie geladen haben?«fragte Bolitho beiläufig.