Der Brandy brannte wie Feuer, aber Bolitho wirbelte immer noch so sehr der Kopf, daß er es kaum bemerkte. Eine neue Korvette! Die beste in Colquhouns Flottille! Ein Traum? Würde er nicht im nächsten Augenblick an Bord der Oktavia erwachen, und der heutige Tag würde erst beginnen?
«Ihr Vorgänger auf der Sparrow ist kürzlich gestorben«, sagte Colquhoun mit ruhiger, gleichmütiger Stimme.
«Oh, das tut mir leid, Sir!»
«Hm. «Colquhoun betrachtete ihn gedankenvoll.»Fieber, sein Erster Leutnant ist zu jung im Dienstrang, selbst für ein nur vorübergehendes Kommando. «Er zuckte die Achseln.»Durch Ihre Ankunft genau im rechten Augenblick, durch die Gnade unsres hochverehrten Admirals und natürlich, Bolitho, auch durch Ihre augenscheinlichen Qualitäten für dieses Kommando fiel die Wahl sofort auf Sie, eh?«Kein Lächeln erhellte seine Züge.
Bolitho schaute zur Seite. Es schien ihm sicherer zu sein, wenn er sich von vornherein darauf einstellte, daß Colquhoun keinen Sinn für Humor besaß.
«Ich will mein Bestes tun, Sir.»
«Selbstverständlich. «Colquhoun zog seine Uhr aus der Tasche und klickte den Deckel auf.»Die Besatzung der Sparrow ist vollzählig. Ich werde Ihre Prisenbesatzung auf andere Schiffe, wo sie dringend gebraucht wird, verteilen müssen. Es sei denn, Sie hätten irgendeinen besonderen Mann, von dem Sie sich nicht trennen möchten.»
«Ja, Sir, einen. Ich bin Ihnen sehr dankbar.»
Colquhoun seufzte.»Sie sind eine sonderbare Mischung. Es handelt sich wohl um einen Mann aus Cornwall?»
«Jawohl, Sir!»
«Nun gut. «Er sprach den Satz nicht zu Ende. Statt dessen sagte er:»Ich habe ein Boot angefordert. Es wird Sie in einer halben Stunde abholen. Bis dann werden Ihre Dokumente fertig sein.»
Bolitho wartete. Er wußte nicht, ob er sich noch andere Ratschläge anzuhören hätte.
Colquhoun schien seine Gedanken zu erraten und meinte ruhig:»Von Zeit zu Zeit werden Sie schriftliche Instruktionen erhalten. Aber man wird Ihnen nur sagen, was Sie zu tun haben. Wie Sie die
Auch er beobachtete mit zusammengekniffenen Augen und kritischer Aufmerksamkeit das herangleitende Boot.
Als Bolitho ein blutjunger Leutnant auf der Fregatte Destiny gewesen war, hatten sich ihre Wege zum ersten Mal gekreuzt. Er war mit dem undankbaren Auftrag, Rekruten für das Schiff zusammenzutrommeln, an Land geschickt worden. Ohne Hoffnung auf großen Erfolg hatte er mit seinen Seeleuten vor einer kleinen Schenke haltgemacht. Mit dem Hintergedanken, vor seinem nächsten Versuch, Freiwillige anzuwerben, etwas Ruhe und Erfrischung zu finden, hatte er hier sein Hauptquartier eingerichtet. Das alte Verfahren, von Dorf zu Dorf und von Schenke zu Schenke zu trotten, hatte sich kaum geändert. Als Ergebnis brachte man gewöhnlich nur ein paar Kerle zusammen, die für den harten Dienst auf einer Fregatte zu jung waren, oder man erwischte einen Haufen alter Seeleute, die an Land weder Erfolg noch Glück gefunden hatten und die nun in die Umgebung zurückkehrten, der sie auf immer abgeschworen hatten.
Stockdale gehörte nicht zu diesen. Er war Preisboxer und stand mit entblößtem Oberkörper geduldig wie ein Ochse vor dem Wirtshaus, während sein scharfäugiger Ausrufer jedermann aufforderte, einen Kampf zu wagen und eine Guinee zu gewinnen.
Müde und durstig war Bolitho in die Schenke getreten und ließ seine kleine Abteilung für einige Augenblicke allein. Was kurz darauf geschah, war nicht ganz klar, aber als er wildes Fluchen hörte, in das sich das laute Gelächter der Seeleute mischte, rannte er hinaus und sah, wie einer seiner Männer die Guinee in seine Tasche steckte. Der rasende Ausrufer schlug Stockdale mit dem Ende einer Kette über Kopf und Schultern. Der siegreiche Seemann war ein mächtiger Kanoniersmaat, der gewohnt war, seine Autorität mit brutaler Gewalt zu behaupten. Es stellte sich nie heraus, ob er Stockdale ein Bein gestellt oder einen glücklichen Faustschlag gelandet hatte. Eines aber war sicher. Niemals wieder erlebte Bolitho, daß Stockdale in einem fairen oder unfairen Kampf geschlagen wurde. Als er seine Leute wieder antreten ließ, bemerkte er, daß Stockdale immer noch dastand und die ungerechte Bestrafung ohne Gegenwehr hinnahm, obwohl er seinen Peiniger mit einem einzigen Faustschlag hätte umbringen können.
Angewidert von diesem Anblick und gleichzeitig ärgerlich über sich selbst hatte er Stockdale aufgefordert, in den Dienst des Königs zu treten. Die stumme Dankbarkeit des Preiskämpfers war fast ebenso peinlich gewesen wie das Grinsen auf den Gesichtern der Seeleute. Aber Bolitho hatte bei dem verdutzten, ungläubigen Gesichtsausdruck des Marktschreiers eine gewisse Genugtuung empfunden, als Stockdale wortlos sein Hemd anzog und den abmarschierenden Werbern folgte.
Wenn Bolitho geglaubt hatte, daß die Geschichte hiermit zu Ende wäre, so wurde er bald eines anderen belehrt. Stockdale fügte sich in das Leben auf See, als ob er dazu geboren wäre. Stark wie zwei Männer, war er doch freundlich und geduldig, und wann immer Bolitho in Gefahr geriet, war er in seiner Nähe. Damals, als Bolitho, vom Hieb eines Entermessers getroffen, niedersank, war es Stockdale gewesen, der seine Bootsmannschaft, die in Panik davongerannt war, wieder sammelte, die Angreifer niederkämpfte und seinen bewußtlosen Leutnant in Sicherheit brachte. Als Bolitho von der Fregatte auf die Trojan abkommandiert wurde, hatte es Stockdale fertiggebracht, ebenfalls versetzt zu werden. Er war Bolithos Ordonnanz, im Gefecht Geschützführer, und auf der aufgebrachten Brigg brauchte er die gefangene Besatzung nur anzuschauen, um sich augenblicklich Achtung zu verschaffen. Er sprach sehr wenig und mit heiserer, wispernder Stimme. Seine Stimmbänder hatten in all den Jahren, da er landauf, landab in den Schaubuden auf Jahrmärkten kämpfte, Schaden genommen.