„Das klingt gut”, erwiderte er. „Haben Sie sich das überlegt? Ich kann Ihnen erklären, dass meine letzte Helikopterabholung ganz toll lief. Mein bester Freund starb, mein kommandierender Offizier starb, so ziemlich alle starben. Die einzigen, die nicht starben, waren ich, ein Typ, der verrückt wurde und ein weiterer, der beide Beine verlor und verrückt wurde. Und… wissen Sie, seine Fähigkeit zu…”
Luke hielt inne. Er wollte nicht den Satz beenden.
„Der Typ will nicht mehr mit mir reden, weil er mich darum bat, ihn zu töten und ich ihm die Bitte verweigert habe.”
Trudy starrte Luke mit diesen großen, hübschen Augen an. Durch die Brille sahen sie größer aus als sie eigentlich waren. Sie sah in diesem Moment aus wie ein Wissenschaftler, der durch ein Mikroskop ein Insekt inspiziert.
„Das ist unangenehm”, sagte sie.
„Das sind alte Nachrichten”, entgegnete ihm Don. „Entweder steigst du wieder aufs Pferd oder nicht.”
Luke nickte. Er hielt die Hände hoch. „Ich weiß. Es tut mir leid. Ich weiß es. OK? Nehmen wir mal an, ich gehe dahin. Was, wenn Parr nicht einfach mitwill? Was, wenn er keine Lust darauf hat, den Rest seines Lebens im Knast zu verbringen?”
Don zuckte mit den Schultern. „Wenn er sich der Verhaftung widersetzt, dann beendest du sein Kommando und die Fähigkeit seiner Gruppe, weiterzuarbeiten, wie auch immer du das in diesem Moment erledigen kannst.”
„Ihr wisst aber schon, dass wir über Amerikaner reden?” fragte ihn Luke.
Sie sahen ihn beide an. Keiner von ihnen antwortete. Ein langer Moment verstrich. Es war eine dumme Frage. Natürlich wussten sie das.
„Willst du mitmachen?” wollte Don wissen.
Es dauerte eine Minute, bevor Luke sprach. Wollte er es? Natürlich wollte er es. Welche Wahl hatte er schon? Was sonst könnte er tun? In diesem Bürogebäude sitzen und verrückt werden? Hier sitzen und Einätze ablehnen, bis Don endlich verstünde und ihn feuerte? Hierfür war er angestellt worden. Im Vergleich zu den Dingen, die er zuvor getan hatte, war es eigentlich gar keine große Mission. Es war fast wie eine Wochenendreise.
Ein Bild von Rebecca, hochschwanger, im Haus ihrer Familie, blitzte in seinen Gedanken auf. Sein Sohn wuchs in ihr. Er wäre bald da. Trotz seines Bürojobs, trotz der langen Pendelreise, trotz der Tatsache, dass er fünf Tage pro Woche kaum zu Hause verbrachte, war der letzte Monat so ziemlich der glücklichste, den sie jemals zusammen verbracht hatten.
Was würde Becca darüber denken?
„Luke?” fragte Don.
Luke nickte. „Ja, ich nehme die Mission an.”
KAPITEL SIEBEN
18:15 Uhr (USA Eastern Daylight Zeit)
Queen Anne’s County, Maryland—Östliche Küste der Chesapeake Bucht
„Du siehst wunderschön aus”, sagte Luke.
Er war gerade angekommen. Sobald er durch die Tür geschritten war, hatte er sich sein Hemd und seine Krawatte vom Leib gerissen und sich Jeans und ein T-Shirt angezogen. Jetzt hatte er eine Dose Bier in der Hand. Es war eiskalt und köstlich.
Der Verkehr war verrückt. Er brauchte neunzig Minuten von Washington DC durch Annapolis über die Brücke der Chesapeake Bucht, um an die Ostküste zu gelangen. Doch das spielte alles keine Rolle mehr, weil er jetzt zu Hause war.
Er und Becca hielten sich im Häuschen ihrer Familie in Queen Anne’s County auf. Das Häuschen war ein alter, rustikaler Ort, das an einer Steilküste direkt über der Bucht lag. Es hatte zwei Stockwerke, alles war aus Holz, weshalb es überall krächzte und stöhnte, wo man auftrat. Es gab eine mit Fliegengitter geschützte Terrasse mit Blick auf das Wasser und eine Küchentür, die enthusiastisch zufiel.
Die Möbel im Wohnzimmer waren Generationen alt. Die Betten waren alte Metallskelette mit Federn. Das Bett im Hauptschlafzimmer war fast, aber nicht ganz, lang genug, damit Luke darin bequem schlafen konnte. Der weitaus robusteste Gegenstand im Haus war der Steinkamin im Wohnzimmer. Es schien fast als wäre der Kamin zuerst dagewesen, und jemand mit Sinn für Humor hatte eine klapprige Hütte darum gebaut.
Angeblich war das Haus schon seit über hundert Jahren im Besitz der Familie. Einige von Beccas frühesten Erinnerungen hatten dort stattgefunden.
Es war ein wirklich schöner Ort. Luke gefiel es hier.
Sie saßen im Hinterhof, genossen den späten Nachmittag, während die Sonne langsam westwärts über die riesige Wasserfläche zog. Es war ein windiger Tag und überall da draußen waren weiße Segel gesetzt. Luke wünschte sich fast, dass die Zeit anhielte und er hier für ewig sitzen könnte. Die Umgebung war wunderbar und Becca war wirklich schön. Da hatte Luke nicht gelogen.
Sie war so hübsch wie immer und fast genauso zierlich. Ihr Sohn war ein Basketball, den sie unter ihrer Bluse schmuggelte. Einen Teil des Nachmittags hatte sie damit verbracht, ein wenig im Garten zu graben, weshalb sie ein bisschen verschwitzt war. Sie trug einen großen Sonnenschlapphut und trank ein großes Glas Eiswasser.
Sie lächelte. „Du bist auch nicht grade hässlich.”
Eine lange Pause zog sich zwischen ihnen hin.
„Wie war dein Tag?” fragte sie.
Luke nippte erneut an seinem Bier. Er glaubte daran, dass man die Dinge richtig lösen musste, wenn es Ärger gab. Ausreden waren normalerweise nicht sein Stil. Und Becca hatte es verdient, es sofort zu hören.
„Nun, es war anders als gewohnt. Don heuert die Belegschaft an. Und er hat mir heute ein Projekt zukommen lassen.”
„Super”, antwortete Becca. „Das sind doch gute Nachrichten, oder? Ist es etwas, auf das du dich konzentrieren kannst? Ich weiß, dass der Job dich ein wenig gelangweilt hat und die Pendelei dich frustriert.”
Luke nickte. „Klar, es sind gute Nachrichten. Könnten es zumindest sein. Es ist Polizeiarbeit, könnte man sagen. Wir sind das FBI, stimmt’s? Das ist unsere Aufgabe. Der Nachteil ist, dass wenn ich diese Aufgabe annehme - und ich habe da nicht wirklich die Wahl, da es meine Arbeit ist - ich die Stadt für ein paar Tage verlassen muss.”
Luke hörte sich selbst dabei zu, wie er zögerte. Es gefiel ihm nicht, wie das klang. Die Stadt verlassen? War das ein Witz? Don schickte ihn nicht nach Pittsburgh.
Jetzt nippte Becca an ihrem Wasser. Ihre Augen beobachteten ihn über den Glasrand. Sie blickten wachsam. „Wo musst du denn hin?”
Das war es. Es wäre besser, jetzt gleich die Wahrheit zu sagen.
„Irak.”
Ihre Schultern fielen vornüber. „Oh Luke. Wirklich.” Sie seufzte schwer. „Er will dich in den Irak schicken? Du bist gerade aus Afghanistan zurückgekehrt, wo du fast gestorben wärst. Weiß er nicht, dass wir bald ein Baby haben? Das weiß er doch, oder?”
Luke nickte. „Er hatte dich gesehen, Liebes. Erinnerst du dich? Er hat dich mitgenommen, um mich zu besuchen.”
„Wie kann er auch nur daran denken? Ich hoffe, dass du ihm nein gesagt hast.”
Luke nippte erneut an seinem Bier. Es war jetzt ein wenig wärmer. Nicht mehr gar so köstlich wie noch vor einem Moment.
„Luke? Du hast ihm nein gesagt, stimmt’s?”
„Liebling, das ist mein Beruf. Es gibt nicht viele andere Jobs wie diesen für mich. Don hat mir einen Rettungsring zugeworfen und mir den Hals gerettet. Die Armee hätte gesagt, dass ich PTB habe und hätte mich rausgeschmissen. Wegen Don geschah dies nicht. Ich bin gerade nicht in der Situation, in der ich das ablehnen kann. Und es ist auch eine ziemlich einfache Aufgabe.”
„Eine einfache Aufgabe in einem Kriegsgebiet”, erwiderte Becca. „Worum geht es? Sollst du Osama bin Laden umbringen?”
Luke schüttelte seinen Kopf. „Nein.”
„Was denn dann?”
„Es gibt dort einen Militärvertragsnehmer, der außer Kontrolle ist. Der plündert alte Verstecke von Saddam Hussein und stiehlt Geld, Kunstwerke, Gold, Diamanten… Die wollen, dass ich und ein Partner ihn festnehmen. Es ist gar kein Militäreinsatz. Es ist Polizeiarbeit.”