Felene konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass Felldusts Soldaten ihr sonderlich wohlgesonnen sein würden, wenn sie dumm genug war, einfach in die Stadt zu stürmen. Felene erblickte bereits Teile von Felldusts Flotte vor sich, Schiffe reihten sich zwischen Felldust bis zum Reich wie einer Perlenkette über das Wasser. Die Hauptflotte war schon vor einer ganzen Weile aufgebrochen, doch jetzt kamen stoßweise neue Schiffe in Dreier- oder Vierergruppen hinzu, denn sie hofften, so viel wie möglich aus der Invasion herausholen zu können.
Es sprach viel dafür, dass sie zu den Vorsichtigeren gehörten. Felene hatte schon immer einen Hang zu den Menschen gespürt, die zum Stehlen nach einer Schlacht auftauchten als zu jenen, die ihr Leben riskierten. Sie waren diejenigen, die auf sich aufzupassen verstanden. Das waren Felenes Leute.
Ihr kam eine Idee und Felene steuerte ihren Kahn in Richtung einer der Gruppen. Mit ihrem guten Arm zog sie ein Messer hervor.
„Hoy, ihr dort!“ rief sie in ihrem besten Felldustakzent.
Ein Mann mit einem auf sie gerichteten Bogen tauchte an der Reling auf. „Ich denke du, wärest eine gute – “
Er gurgelte als Felene ihn mit ihrer Klinge das Wort abschnitt. Er kippte vom Boot und landete mit einem Klatschen im Wasser.
„Er war einer meiner besten Männer“, sagte die Stimme eines Mannes.
Felene lachte. „Das bezweifele ich, dann hättest du ihn nicht vorgeschickt, um herauszufinden, ob ich eine Bedrohung darstelle. Bist du der Kapitän?“
„Das bin ich“, rief er zurück.
Das war gut. Felene wollte keine Zeit mit denen verschwenden, die sowieso in keiner Verhandlungsposition waren.
„Bist du auf dem Weg nach Delos?“ fragte er.
„Wohin sollten wir sonst fahren?“ rief der Kapitän zurück. „Denkst du etwa, wir sind zum Fischen hergekommen?“
Felene musste an die Haie denken, die sie auf dem Weg zum Ufer gejagt hatten. Sie dachte an den Körper, der zu ihnen ins Wasser gefallen war. „Warum nicht. Da schwimmt jetzt ein Köder im Wasser und in diesen Breiten gibt es so einige Hauptgewinne abzusahnen.“
„Und noch viel größere in Delos“, rief die Stimme zurück. „Versuchst du gerade, dich unserem Konvoi anzuschließen?“
Felene zuckte mit den Schultern, als wäre es ihr egal. „Ich denke mal, dass du eine zusätzliche Schwerthand gebrauchen könntest.“
„Und zusätzliche fünfzig wären sicherlich gut für dich. Aber du siehst so aus, als könntest du kämpfen. Du hältst uns nicht auf und isst dein eigenes Essen. Klar?“
Mehr als klar, wenn Felene so einen Weg nach Delos hinein fand. Wie vorsichtig sie die Stadt auch abschotten mochten, Felldusts Flotte würde sie kein zweites Mal ansehen, wenn sie Teil der Flotte war.
„Klar“, rief sie zurück. „Solange ihr mich nicht aufhaltet!“
„Scharf auf das Gold. Das gefällt mir.“
Sie sollten mögen, was immer sie wollten, solange sie Felene in Ruhe ließen. Lass sie nur denken, dass sie dem Gold nachjagte. Das einzige was zählte, war –
Ein Hustenanfall überraschte Felene und traf sie mit beinahe doppelter Wucht. Er durchdrang sie und ihre Lungen fühlten sich an, als stünden sie in Flammen. Sie legte eine Hand an ihren Mund, und sie bemerkte das Blut an ihren Fingern.
„Alles klar da unten?“ fragte der Kapitän des Felldustschiffes mit eindeutig hörbarer Skepsis. „Ist das Blut? Du schleppst doch keine Plage mit dir rum, oder?“
Felene hatte keinen Zweifel, dass sie alleine weiterreisen musste, wenn er das dachte. Oder er feuerte auf ihr Boot, um sicher zu sein, dass ihm die Krankheit auf keinen Fall zu nahe kam.
„Musste im Hafen ein paar üble Schläge in den Magen einstecken“, log sie und wischte ihre Hand an der Reling ab. „Keine große Sache.“
„Wenn du Blut hustest, scheint es übel zu sein“, rief der Kapitän zurück. „Du solltest an Land gehen und einen Heiler aufsuchen. Du kannst kein Gold ausgeben, wenn du tot bist.“
Das war wahrscheinlich ein guter Ratschlag, doch Felene war nicht so gestrickt, auf die Ratschläge anderer zu hören. Vor allem dann nicht, wenn sie Besseres zu tun hatte. Wenn es nur um Gold gegangen wäre, dann hätte sie vielleicht genau das getan, was der Mann ihr geraten hatte.
„So sagt man“, witzelte Felene. „Ich, ich sage, dass sie Weicheier sind.“
Sie ließ den anderen Schiffskapitän in Lachen ausbrechen. Sie hatte Besseres zu tun.
Es war Zeit, Stephania und Elethe zu töten.
KAPITEL SIEBEN
Der Konvoi aus ehemaligen Rekruten setzte seine Reise durch die umliegenden Gegenden von Delos weiter fort, und es verging kein Tag, an dem sich Sartes nicht dabei erwischte, wie er Leyana anstarrte und versuchte einen Weg zu finden, ihr zu sagen, wie er sich in ihrer Gegenwart fühlte.
Jeden Tag grübelte Sartes über die richtigen Worte nach und überlegte, was jemand, der wortgewandter als er selbst war, wohl gesagt hätte. Was hätte Thanos gesagt oder Akila oder… jeder der halb verliebt war und nicht genau wusste, was als Nächstes zu tun war?
Er verbrachte seine Zeit mit Gedanken an Leyana und das, was er eigentlich tun sollte. Sie fuhren von Dorf zu Dorf, verteilten die Güter, die sie dabei hatten, brachten Rekruten zu ihrem Zuhause zurück, dem sie entrissen worden waren und versicherten den Menschen so gut sie konnten, dass die Rebellen keine Tyrannen mit neuem Gesicht waren.
Jeden Tag versuchte er, die richtigen Worte zu finden und jeden Tag errichteten sie das Camp, ohne dass es ihm gelungen wäre.
„Geht es dir gut?“ fragte Leyana mit einem Lächeln. Sie hatte sich entschieden, in demselben Wagen wie Sartes mitzufahren, und Sartes musste zugeben, dass ihm das gefiel. Wenn sie abends das Lager aufbauten, war ihr Zelt nie weit von seinem entfernt. Auch das gefiel Sartes. Er war dankbar, dass er im Falle aus seinem Zelt rennen konnte, um sie zu retten.
Er hoffte schon fast, dass jemand sie angreifen würde, damit er genau das tun konnte.
Fühlte sich die Liebe so an? Sartes wusste es nicht. Er besaß im Bezug auf Mädchen nicht genügend Erfahrung, um sich sicher zu sein, und er war nicht taff genug, jemand anderen zu fragen, denn er war schließlich der Anführer, und er hatte von Anka gelernt, dass Anführer es sich nicht leisten konnten, in der Öffentlichkeit Unsicherheit zu zeigen. Er musste stark sein, sodass sie weiterhin das tun konnten, worum Ceres sie gebeten hatte.
Er wünschte sich, dass Anka nicht tot, sondern jetzt hier zum Reden wäre. Er wünschte sich, dass auch Ceres hier wäre. Vielleicht hätte seine ältere Schwester ihm einen Ratschlag geben können. Vielleicht hätte sie ihm sagen können, woher sie wusste, was sie für Thanos empfand.
Sie fuhren hinab durch ein Dorf und verteilten Nahrung. So wie in beinahe jedem Dorf begannen die Menschen auf die Straße zu kommen, sobald sie erkannten, dass die Rekruten nicht gekommen waren, um sie anzugreifen. Viel zu viele von ihnen waren klapperdürr, mussten Hunger leiden, nachdem Lucious ihre Felder niedergebrannt hatte.
Sie waren jetzt zahlreicher. Sartes hatte die Züge aus Flüchtlingen gesehen, einige von ihnen trugen alles, was sie hatten, bei sich. Bisher waren seine Rekruten zwei Mal auf Diebe oder Banditen gestoßen, die versuchten hatten, sie auszurauben. Zwei Mal war es Sartes und den anderen gelungen, sie zu vertreiben.
Er hoffte, dass es auch mit der Invasion so einfach sein würde. Jede Flüchtlingsgruppe, an der sie vorbeikamen, brachte Neuigkeiten mit. Sie berichteten von der großen Flotte, die auf dem Weg war, den Schlachten, die auf dem offenen Wasser um die Stadt tobten, und von Akilas Flotte, die versuchte, die Invasion auszubremsen.
Ein Teil von ihm wollte zurückeilen und ihnen helfen, doch Sartes musste seiner Schwester zutrauen, dass sie wusste, was sie tat. Wenn Ceres ihm eine Rolle in der Verteidigung der Stadt zugeteilt hätte, dann hätte sie einen Boten geschickt. Bis dahin war es das Beste, wenn Sartes einfach weitermachte und versuchte, die ländlichen Gegenden sicherer zu machen.