Герман Гессе - Narziss und Goldmund / Нарцисс и Гольдмунд. Книга для чтения на немецком языке стр 12.

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Mit weit offenen Augen hatte Goldmund zugehört, wie Narziss in einer gewissen rednerischen Selbstberauschung sprach. Mehrere seiner Worte hatten ihn getroffen wie Schwerter; bei den letzten Worten wurde er blass und schloss die Augen, und als Narziss es merkte und erschrocken fragte, sagte der tief Erbleichte mit erloschener Stimme: »Es ist mir einmal passiert, dass ich vor dir zusammenbrach und weinen musste – du erinnerst dich. Es darf nicht wieder passieren, ich würde es mir nie verzeihen – und auch dir nicht! Geh jetzt schnell fort und lass mich allein, du hast mir furchtbare Worte gesagt.«

Narziss war sehr betreten. Die Worte hatten ihn mitgerissen, er hatte das Gefühl gehabt, besser als sonst zu sprechen. Nun sah er mit Bestürzung, dass irgendeines dieser Worte den Freund tief erschüttert habe, dass er irgendwo ins Lebendige getroffen habe[38]. Es fiel ihm schwer, ihn in diesem Augenblick allein zu lassen, er zögerte sekundenlang, Goldmunds Stirnrunzeln mahnte ihn, und verwirrt lief er davon, um dem Freunde das Alleinsein zu gönnen, dessen er bedurfte.

Diesmal löste die Überspannung in Goldmunds Seele sich nicht in Tränen auf. Mit einem Gefühl tiefsten und hoffnungslosen Verwundetseins, als habe der Freund ihm plötzlich ein Messer mitten in die Brust gestoßen, blieb er stehen, schwer atmend, mit einem tödlich zusammengepressten Herzen, wachsbleich im Gesicht, mit abgestorbenen Händen. Es war wieder das Elend von damals, nur um einige Grade verstärkt, es war wieder das Würgen im Innern, das Gefühl, etwas Furchtbarem ins Auge sehen zu müssen, etwas schlechterdings Unerträglichem. Aber kein erlösendes Schluchzen half diesmal das Elend überstehen. Heilige Mutter Gottes, was war denn nur? War denn etwas geschehen? Hatte man ihn gemordet? Hatte er getötet? Was war da Furchtbares gesagt worden?

Keuchend stieß er den Atem von sich, wie ein Vergifteter war er bis zum Zerreißen erfüllt von dem Gefühl, sich von etwas Tödlichem befreien zu müssen, das tief in ihm innen stecke. Mit Bewegungen wie ein Schwimmender stürzte er aus der Stube, floh unbewusst in die stillsten, menschenleersten Bezirke des Klosters, durch Gänge, über Treppen, und ins Freie, an die Luft. Er war in die innerste Zuflucht des Klosters, in den Kreuzgang geraten, über den paar grünen Beeten stand klar der sonnige Himmel, durch die kühle steinerne Kellerluft zog in süßen zögernden Fäden der Duft von Rosen.

Ahnungslos hatte Narziss in dieser Stunde das getan, was zu tun schon lange sein ersehntes Ziel war: er hatte den Dämon, von dem sein Freund besessen war, bei Namen gerufen, er hatte ihn gestellt. Von irgendeinem seiner Worte war das Geheimnis in Goldmunds Herzen angerührt worden und hatte sich in rasendem Schmerz aufgebäumt. Lange irrte Narziss durchs Kloster und suchte den Freund, fand ihn aber nirgends.

Goldmund stand unter einem der runden schweren Steinbogen, die aus den Gängen ins Kreuzgärtchen führten, von den Säulen des Bogens blickten je drei Tierköpfe, steinerne Köpfe von Hunden oder Wölfen, glotzend auf ihn herab. Schauerlich wühlte in ihm die Wunde, ohne Weg zum Licht, ohne Weg zur Vernunft. Todesangst schnürte ihm Kehle und Magen. Mechanisch aufblickend sah er über sich einen der Säulenknäufe mit den drei Tierköpfen, und alsbald war ihm, als säßen, glotzten, bellten die drei wilden Köpfe innen in seinen Eingeweiden.

»Gleich muss ich sterben«, empfand er ergrausend. Und gleich darauf, zitternd vor Angst, empfand er: »Jetzt verliere ich den Verstand, jetzt fressen mich die Tiermäuler.«

Zuckend sank er am Fuße der Säule nieder, der Schmerz war zu groß, er hatte die äußerste Grenze erreicht. Eine Ohnmacht umhüllte ihn; er entschwand, mit einsinkendem Gesicht, in ein ersehntes Nichtmehrsein.

Abt Daniel hatte einen wenig erfreulichen Tag gehabt, zwei von den älteren Mönchen waren heut zu ihm gekommen, aufgeregt, keifend, anklägerisch wegen uralter eifersüchtiger Nichtigkeiten wieder einmal wütend verzankt. Er hatte sie angehört, allzulange, hatte sie ermahnt, doch erfolglos, hatte sie schließlich streng entlassen, jeden mit einer ziemlich harten Strafe belegt, und hatte im Herzen das Gefühl behalten, sein Tun sei nutzlos gewesen. Erschöpft hatte er sich in die Kapelle der Unterkirche zurückgezogen, hatte gebetet, war unerfrischt wieder aufgestanden. Jetzt trat er, vom leise herziehenden Rosenduft angezogen, für einen Augenblick, um Luft zu schöpfen, in den Kreuzgang. Da fand er den Schüler Goldmund ohnmächtig auf den Fliesen liegen. Traurig sah er ihn an, über die Blässe und Erloschenheit des sonst so hübschen jungen Antlitzes erschrocken. Es war kein guter Tag heute, nun auch dies noch! Er versuchte, den Jüngling aufzuheben, war aber der Last nicht gewachsen. Tief seufzend ging er weg, der alte Mann, um zwei von den jüngeren Brüdern zu rufen, dass sie ihn hinauftrügen, und schickte auch noch den Pater Anselm hin, der ein Heilkünstler war. Zugleich schickte er nach Narziss, der bald gefunden wurde und vor ihm erschien.

»Weißt du schon?« fragte er ihn.

»Wegen Goldmund? Ja, gnädiger Vater, ich habe soeben gehört, er sei krank oder verunglückt, man habe ihn getragen gebracht.«

»Ja, ich fand ihn im Kreuzgang liegen, wo er ja eigentlich nichts zu suchen hat. Er ist nicht verunglückt, er ist ohnmächtig. Es gefällt mir nicht. Es scheint mir, dass du mit der Sache zu tun haben[39] müssest, oder doch etwas darüber wissen, er ist ja dein Intimus[40]. Darum rief ich dich. Sprich.«

Narziss, wie immer mit beherrschter Haltung und Sprache, gab einen kurzen Bericht über sein heutiges Gespräch mit Goldmund, und wie überraschend heftig es auf diesen gewirkt habe. Der Abt schüttelte den Kopf, nicht ohne Unmut.

»Merkwürdige Gespräche sind das«, sagte er und zwang sich zur Ruhe. »Was du mir da geschildert hast, ist ein Gespräch, das man einen Eingriff in eine fremde Seele nennen könnte, es ist, möchte ich sagen, ein seelsorgerliches Gespräch. Du bist aber nicht Goldmunds Seelsorger. Du bist überhaupt nicht Seelsorger, du hast die Weihen noch nicht. Wie kommt es, dass du mit einem Schüler im Ton des Beraters über Dinge sprichst, die bloß den Seelsorger angehen? Die Folgen, wie du siehst, sind üble gewesen.«

»Die Folgen«, sagte Narziss mit sanftem Ton, aber bestimmt, »kennen wir noch nicht, gnädiger Vater. Ich war etwas erschreckt über die heftige Wirkung, aber ich zweifle nicht daran, dass die Folgen unseres Gesprächs gute für Goldmund sein werden.«

»Wir werden die Folgen sehen. Ich rede jetzt nicht von ihnen, sondern von deinem Tun. Was hat dich veranlasst, solche Gespräche mit Goldmund zu führen?«

»Wie Ihr wisst, ist er mein Freund. Ich habe zu ihm eine besondere Zuneigung, und ich glaube ihn besonders gut zu verstehen. Ihr nennt mein Verhalten gegen ihn seelsorgerlich. Ich habe mir keinerlei geistliche Autorität angemaßt, nur glaubte ich ihn etwas besser zu kennen, als er selbst sich kennt.«

Der Abt zuckte die Achseln.

»Ich weiß, dies ist deine Spezialität. Hoffen wir, dass du damit nichts Schlimmes angerichtet hast. – Ist Goldmund denn krank? Ich meine, fehlt ihm irgend etwas? Ist er schwächlich? Schläft er schlecht? Isst er nichts? Hat er irgendwelche Schmerzen?«

»Nein, bis heute war er gesund. Am Leibe gesund.«

»Und sonst?«

»An der Seele ist er allerdings krank. Ihr wisst, er ist im Alter, wo die Kämpfe mit dem Geschlechtstrieb beginnen.«

»Ich weiß. Er ist siebzehn?«

»Er ist achtzehn.«

»Achtzehn. Nun ja. Spät genug. Aber diese Kämpfe sind ja etwas Natürliches, was jeder durchmachen muss. Darum kann man ihn doch nicht krank an der Seele nennen.«

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