Bolitho fuhr herum und sah einen mächtigen, rotgesichtigen Mann von, wie ihm schien, dreifacher Raumbeanspruchung, nicht so sehr in der Höhe wie in der Breite. Die dicken Beine gespreizt, um eine plötzliche Bö abzufangen, stand er da und starrte Bolitho aus schwerlidrigen, melancholischen Augen mit unverhohlener Neugier an.»Mein Name ist Grubb, Sir. Ich bin der Master.«
«Danke, Mr. Grubb«, lächelte Bolitho. Das hätte er sich denken können. Über Ben Grubb, den Master der Lysander bei St. Vincent, existierten bereits viele Legenden. Er hatte, so wurde erzählt, persönlich die Querflöte geblasen, als der Vierundsiebziger die Feindformation durchbrach und alle Trommeljungen der MarineInfanterie von Schrapnellgeschossen niedergemäht worden waren.
Diesem mächtigen, unordentlich gekleideten Mann war das schon zuzutrauen, fand Bolitho. Eine merkwürdige Mischung. So wie das Gesicht war der ganze Mann: offenbar von schweren Stürmen gezeichnet; und ein schwerer Trinker war er auch, das sah man ihm an. Von jetzt an würde Grubb einer der wichtigsten Männer im Geschwader sein.
Grubb zog eine apfelgroße Taschenuhr, sah nach der Zeit und sagte:»Ungefähr jetzt, würde ich meinen, Sir.»
Bolitho nickte und drehte sich nach Herrick um. Pascoe stand mit einem Midshipman und den Signalgasten in der Nähe, ein Deckoffizier kritzelte etwas auf seine Tafel.
«Also bitte, Captain. Wir wollen auslaufen.»
Absichtlich langsam schritt Bolitho über das unaufgeklärte Deck und versuchte, nicht auf die vielen Blöcke und Taljen hinunterzu-blicken, an denen die Achterdeckwache seit Morgengrauen gearbeitet hatte. Das wäre ein schöner Anblick für die Crew der Lysander, wenn er mit dem Fuß hängenbliebe und der Länge nach auf die
Planken fiele! Seltsamerweise wurde er gerade bei dieser gräßlichen Vorstellung ruhiger und konnte sich auf die anderen Schiffe konzentrieren, auf denen nacheinander die Bestätigungen für Herricks Signal Anker auf hochgingen.
«Von allen bestätigt, Sir!«hörte er den Midshipman rufen.
Und dann ertönte Pascoes vor verhaltener Erregung zitternde Stimme:»Achterdeck klar zum Manöver!»
Gilchrist rannte polternd über die Planken, und selbst noch durch die Sprechtrompete klang seine Stimme mißbilligend:»Mr. Yeo! Mehr Leute ans Gangspill! Verdammte Bummelei!»
Bolitho wandte sich nicht um. Yeo war der Bootsmann, er
würde ihn schon noch kennenlernen. Drüben rollte die kleine Harebell wie betrunken, die Rahen voll geschäftiger Matrosen. Ihr Ankertau stand auf und nieder; er glaubte, Inchs vogelscheuchenähnliche Gestalt an der Achterdeckreling zu erkennen, wie er über die Reede deutete, die mit ihren zahllosen weißmützigen Wellen aussah wie ein Miniaturozean.
Bolitho nahm dem Midshipman der Wache das Teleskop aus der Hand, stellte es auf den anderen Zweidecker ein und fragte dabei:»Und wie heißen Sie?»
Der Midshipman starrte ihn perplex an.»Saxby, Sir.»
Auf den Decksgängen der Nicator rannten jetzt die Matrosen eilig nach achtern. Saxby war etwa dreizehn und hatte ein rundes, unschuldiges Gesicht. Sein sonst recht nettes Aussehen wurde beeinträchtigt, wenn er den Mund aufmachte, denn ihm fehlten zwei Vorderzähne.
Bolitho fixierte das Glas und versuchte, nicht auf Gilchrists blecherne Stimme zu achten. Es dauerte alles viel zu lange. Vorsicht schön und gut, aber das hier war ein ängstliches Kriechen.
«Das geht zu langsam, Captain Herrick!«sagte er scharf.
«Sir?«Herrick hatte anscheinend nicht aufgepaßt.
«Setzen Sie Dringlichkeitssignal, bitte!«Es war ihm unangenehm, aber hier stand mehr auf dem Spiel als privates Gefühl.
Er hörte laute Befehle, die verwischten Rufe der Toppsgasten, die sich auf den Fußpferden der vibrierenden Rahen hinausarbeiteten.
Und dann wurde das alte Signal mit einem Ruck niedergeholt, und vom Vorschiff kam der Ruf:»Anker ist los!»
Schwer legte sich die Lysander auf die Seite, der Anker kam aus dem Wasser, der Wind füllte bereits die Marssegel; langsam drehte sie durch die kabbelige See.
«An die Brassen!»
Nackte Füße schlidderten über die nassen Planken; vom Ankerspill rannten Männer herbei.
Eins nach dem anderen, wie mächtige Tiere, gingen die drei Linienschiffe vor den Wind; weiter draußen setzten die Fregatte Buz-zard und Inchs Schaluppe bereits mehr Segel, um sich von den großen Schiffen freizuhalten.
Ein» Starter«, der kurze Tampen eines Maaten, klatschte auf einen nackten Rücken, und der Mann schrie auf. Hoch über Deck wetteiferten die Toppsgasten miteinander, um die anderen Schiffe des Geschwaders zu übertreffen.»Setzen Sie die Breitfock, Mr. Gilchrist!«befahl Herrick.»Und sagen Sie diesem Bootsmannsmaaten, er soll sparsamer mit seinem Tampen umgehen!»
Bolitho ging auf die andere Seite, wo soeben die Osiris das Kielwasser der Mcator kreuzte. Sie bot einen schönen Anblick mit ihren steif und voll stehenden Marssegeln, unter denen sie so stark überholte, daß die Bugsee beinahe über die unteren Stückpforten wusch. Fock und Großsegel schlugen einmal und füllten sich dann; hart glänzten sie im Sonnenlicht wie Silber.