«Mein Kompliment an Flaggkapitän Farquhar«, sagte er zu Glas-son,»und er möchte bitte zu mir auf die Kampanje kommen.»
Als Fraquhar fünf Minuten später erschien, schritt Bolitho auf und ab, die Hände auf dem Rücken, in tiefes Nachdenken versunken.
«Sie haben eine Idee, Sir?«tippte Farquhar an.
Bolitho blieb stehen und sah ihm ins Gesicht.»Ich glaube, die habe ich. Ich war so tief in meine Befürchtungen verstrickt, daß ich nicht sah, was auf der Hand lag.»
«Sir?»
«Ich hörte Steuermannsmaat Bagley einen Rudergänger beschimpfen, weil der ihn nicht gleich verstanden hatte.»
Farquhar zog die Brauen zusammen.»Das muß Larssen gewesen sein, Sir. Ich kann ihn ablösen lassen.»
«Nein, nein! Darum geht es nicht«, sagte Bolitho und starrte ihn immer noch an.»Und dann noch etwas, das Glasson eben über die Segura sagte.»
«Ich verstehe, Sir. «Farquhar war völlig verwirrt.»Das heißt, ich glaube zu verstehen.»
Bolitho lächelte.»Diese Segura. Wir haben sie mitgeschleppt und wußten nicht, warum. Aus Eitelkeit? Als Beweis, daß wir nicht nur Mißerfolge hatten? Mit der Zeit haben wir vergessen, daß sie überhaupt da ist.»
Farquhars Augen, die Bolitho mit tiefem Zweifel betrachteten, glommen in der sinkenden Sonne.»Aber sie ist zu langsam zum Rekognoszieren ich dachte, darüber wären wir uns einig.»
Bolitho nickte.»Stellen Sie eine neue Prisenmannschaft zusammen und verteilen Sie die Spanier, die noch auf der Segura sind, auf das Geschwader. Suchen Sie einen geeigneten Offizier und sagen Sie ihm, die Prisenbesatzung soll so ausländisch wirken wie nur möglich.»
«Aye, Sir. «Farquhar zeigte sich nicht einmal mehr überrascht. Wahrscheinlich glaubte er, die ständige Anspannung und Verantwortung hätten Bolitho schließlich doch um den Verstand gebracht.
«Und zwar sofort ! Geben Sie dem Geschwader Signal zum Beidrehen, solange noch Tageslicht ist!»
Farquhar wollte schon wegeilen, fragte aber noch:»Was soll dieser Offizier für eine Aufgabe übernehmen, Sir?»
«Aufgabe, Captain?«Er wandte sich ab, um seine aufsteigende Erregung zu verbergen.»Er soll die Segura unter falscher Flagge nach Malta segeln. Am besten unter amerikanischer. Und dort soll er für mich einen Brief abliefern.»
«An den französischen Agenten?«rief Farquhar.
«Genau. «Wieder ging er auf und ab.»Fangen Sie gleich an!»
Doch Farquhar blieb noch stehen.»Das ist aber riskant, Sir.»
«Das haben Sie
mir schon mal gesagt. Und Thomas Herrick auch. Haben Sie denn nie was riskiert?»
Farquhar lächelte.»Die Matrosen werden wahrscheinlich desertieren, sobald sie in Malta sind. Und der betreffende Offizier wird gefangengenommen und gehängt werden. Die Malteser wissen nur zu gut, wie gefährlich es für sie ist, Frankreichs Mißfallen zu erregen. Früher waren sie uns freundlich gesinnt, aber jetzt sind ihnen die französische Armee und Flotte viel näher als damals«, schloß er achselzuckend.
«Stimmt. Das ist auch keine Arbeit für einen Juniorleutnant. «Jetzt ging Farquhar ein Licht auf.»Sie beabsichtigen, selbst auf der Segura mitzufahren.«»Unter allen Umständen.»
In einem hatte Midshipman Glasson recht gehabt, fand Bolitho: die Segura war nicht nur dreckig, sie stank auch nach so vielen Unerfreulichkeiten von unterschiedlichem Alter und Gehalt, daß man unter Deck von ständigem Brechreiz geplagt wurde.
Als die neue Mannschaft im Austausch gegen die Spanier herübergerudert wurde, war es stockfinster. Mit zwei tüchtigen Matrosen am Ruder und unter gerefften Segeln würde sie Segura für die Nacht sich selber überlassen.
Bolitho saß in der winzigen Kajüte und kaute an Salzfleisch und eisenhartem Schiffszwieback herum, den er mit dem Rotwein, den das Schiff reichlich geladen hatte, aufzuweichen versuchte.
Farquhar hatte Leutnant Matthew Veitch zu seiner Begleitung ausgesucht. Veitch hatte bereits bewiesen, daß er sich ebenso gut darauf verstand, ein ihm unbekanntes Schiff zu führen, wie die Achtzehnpfünder der Lysander im Ernstfall zu kommandieren. Er war Mitte Zwanzig, sah jedoch erheblich älter aus und war erfahrener, als man bei seiner Jugend glauben mochte. Er kam aus dem Norden Englands, aus Tynemouth, und wirkte durch seinen harten Akzent im Verein mit seiner meist strengen Miene viel reifer als seine Jahre. Doch sein schnell bereites Lächeln konnte diesen Ernst jederzeit wegwischen; und Bolitho hatte gemerkt, daß seine Matrosen ihn schätzten und respektierten.
Plowman, der Steuermannsmaat, war auch diesmal wieder dabei, und mit Midshipman Arthur Breen, einem rotblonden Siebzehnjährigen, in dessen Gesicht man vor lauter Sommersprossen kaum noch die Haut sah, war das Offizierskorps der Segura komplett.
Sie waren so damit beschäftigt gewesen, sich auf ihrem neuen Schiff einzurichten, daß die überschatteten Marssegel der drei Vierundsiebziger in der sich vertiefenden Dunkelheit verschwunden waren, ehe irgend jemand die Zeit gefunden hatte, etwas zu bedauern.
Bolitho blickte auf, als Veitch in die vollgestopfte Kajüte trat.»Vorsicht!»
Zu spät. Veitch krachte mit dem Kopf heftig gegen einen Decksbalken und fluchte.