Der Leutnant erwachte aus seiner Erstarrung und schrie:»Geschützführer! Im Hochkommen schießen!«Er duckte sich hinter einen seiner Achtzehnpfünder und spähte durch die Stückpforte.
«Feuer!»
Die ganze Batterie spuckte in einer langen, unregelmäßigen Salve Feuer und Rauch. Als der Qualm durch die Pforten zurückrollte und die Geschützbedienungen Schwabber und Putzstangen in Aktion setzten, sah er, daß die See um die Brigg mit großen weißen Schaumkreisen gesprenkelt war.
Die Lafetten quietschten, die Achtzehnpfünder wurden das krängende Deck hinangeschoben und stießen die Rohre wieder durch die Pforten. Ein Stückführer nach dem anderen hob die Hand, und Veitch kommandierte von neuem:»Feuer!»
Wieder ein langgezogener Kanonendonner: die hellen, gelbroten Feuerzungen leckten aus dem Rumpf, die schweren Kugeln hüpften über die Wellenkämme und warfen Wasserschleier hoch. Als der Rauch sich verzogen hatte, sah Herrick, daß der Großmast der Brigg nicht mehr stand und daß sie manövrierunfähig dahintrieb, das Deck ein einziges Chaos.
«Feuer einstellen!«schrie er.»Mr. Fitz-Clarence, beide Kutter klar zum Aussetzen!«Er rieb sich die Augen, denn wieder trieb eine Wolke stechenden Pulverqualms übers Deck.»Sie übernehmen das Kommando!«Er packte den Leutnant beim Arm und zog ihn an die Netze.»Das mittlere Schiff ist ein Transporter. Hat mächtigen Tiefgang. Holen Sie's raus, bevor sie es versenken können. Wenn Sie aber auf zu starken Widerstand stoßen, ziehen Sie sich zurück; ich schieße es dann zusammen, wenn wir passieren. «Er schob ihn zur Leiter und rief:»Mr. Veitch, Segel wegnehmen! Geien Sie die Bramsegel auf!»
Grubb sah hoch: eine Kugel klatschte durch das Großmarssegel und riß ein Loch, so groß, daß ein Mann hätte durchschlüpfen können.
«Allmächtiger!«sagte er.
Herrick schritt über das Deck; sein Hirn verarbeitete die jeweils veränderte Lage: Als der Segeldruck sich verminderte und damit die Neigung des Schiffs, wurden die beiden Kutter über Bord ge-fiert. Männer sprangen hinein, Entersäbel und Musketen hoch in den Händen, andere legten die Riemen aus und stießen von der Bordwand ab.
Wieder krachte es von Land her, und eine Kugel flog jaulend durch die Luvwanten; ein Matrose kam von oben und lag keuchend in den Schutznetzen, die über Deck gespannt waren, um die Kanoniere vor fallenden Spieren und dergleichen zu schützen.
Wie schnell das Licht zunahm und es in der Bucht hell wurde! Herrick hatte den davonstrebenden Booten nachgesehen und eilte jetzt an die Heckreling. Schon konnte er die Batterie auf dem Vorland erkennen; eine fedrige Rauchwolke stand darüber. Bald mußte er halsen und in die Bucht zurück, um die Enterabteilung in ihren Booten zu decken.
Unter Marssegeln, Fock und Klüver machte die Lysander nur wenig Fahrt ein ideales Ziel für die Küstenbatterie.»Wir müssen bald vom Land weghalten«, sagte er. Von irgendwoher ertönte ein Schrei, doch er verschloß das Gehör davor.»Wir haben getan, was wir konnten.»
Wieder hüpften zwei Kugeln über das blaue Wasser wie ein Paar springender Delphine. Eine peitschte mitten zwischen den wild pullenden Kuttern durch, die andere schmetterte dicht neben dem Vordersteven in den Rumpf der Lysander.
Herrick beobachtete die beiden Kutter. Der eine hatte bereits den schweren Transporter erreicht; der andere we chselte noch Schüsse mit einer Gruppe Matrosen auf dem feindlichen Achterdeck.
Er mußte auch die Boote zurückrufen. Das ganze Unternehmen war ein einziger Fehlschlag. Schon wandte er sich an Midshipman Saxby, der bei den Signalgasten stand; da hörte er einen Mann ungläubig ausrufen:»Sir! Auf der anderen Batterie, sehen Sie!»
Von den Rahen und den beiden Batteriedecks kamen Hurrarufe, und als Herrick zum dünnen Fahnenmast über der Batterie starrte, sah er eine Flagge hochsteigen: dieselbe, welche die Lysander führte!
«Ich sehe was Rotes«, murmelte Grubb.»Die verdammten Bullen sind also doch durchgekommen!»
Dann
gingen alle Kommentare im Donner einer gewaltigen Explosion unter. Der Schall rollte vom Vorland zu ihnen herab, die Druckwelle ließ Felsbrocken und andere Trümmer auf den Strand regnen und riß einige Soldaten um, welche die Küstenbatterie von unten erstürmen wollten.
Herrick versuchte, sein breites Grinsen zu unterdrücken.»Beidrehen, Mr. Veitch!«Er nickte heftig.»Ja, Sie! Auf einem Kriegsschiff kann man schnell befördert werden!»
Er deutete auf den Transporter. Die Explosion der zweiten Batterie hatte auch dort jeden Widerstand zunichte gemacht, und er konnte sehen, wie Fitz-Clarences Männer über das Deck schwärmten; die spanische Flagge wurde niedergeholt. Lediglich die zweite Brigg war rechtzeitig freigekommen, ihre Segel füllten sich, mit höchster Fahrt versuchte sie, der Zerstörung zu entgehen. Herrick beobachtete sie gelassen. Die Harebell wird sich ihrer annehmen, dachte er.
Mit losen, donnernden Segeln ging die Lysander in den Wind. An Land schwiegen die Musketen und Kanonen, nur Leichen und Trümmer zeugten noch von der Wildheit des Kampfes.
«Mehr Boote aussetzen!«Herrick schätzte die Strömung in der Bucht ab.»Wir müssen vielleicht ankern, aber ich will die Landeabteilung bis auf den letzten Mann an Bord geholt haben!»