Die Tür gab nach und stürzte wie eine verkohlte Zugbrücke nach innen, und als der Rauch sich hob, sah er den sich windenden Körper eines Mannes zwischen brennenden Möbeln und glühenden Dachsparren am Boden liegen. Blitzartig registrierte er diese Einzelheiten, während er hineinrannte, sich über den Liegenden beugte und ihn an den Schultern zur Tür zerrte. Der Mann war an Händen und Füßen gefesselt und half verzweifelt mit den Beinen nach. Über dem Knebel quollen seine in Todesangst geweiteten Augen hervor. Der Gestank verbrannten Fleisches und der Gedanke an die ungeheure Grausamkeit, mit der ein Mensch hier bei lebendigem Leibe hätte verbrannt werden sollen, verursachten Bolitho Übelkeit.
Schreie drangen durch das Brausen der Flammen an sein Ohr wie das Kreischen sterbender Hexen, die einen letzten Fluch ausstießen.
Nun griffen andere zu und zerrten Bolitho samt seiner Last ins Freie, in den herrlichen, kühlenden Regen. Dancer kam durch den Feuerschein gerannt und schrie aufgeregt:»Das ist das Dorf, Dick! Ich bin ganz sicher! Diese Hütten wand«Er brach ab und starrte auf den halb verbrannten Mann am Boden, der offensichtlich mit dem Tode rang. Pendrith kniete in Schlamm und Funkenflug neben ihm und fragte heiser:»Wer hat dir das angetan?»
Der Mann, in dem Pendrith bereits den vermißten Blount erkannt hatte, keuchte:»Sie haben mich gefesselt, damit ich verbrenne!«Er krümmte sich vor Schmerzen, die Zähne im Todeskampf entblößt.»Sie wollten mir nicht glauben!«Er schien erst jetzt zu merken, daß ihn Seeleute umstanden, und fügte mit brechender Stimme hinzu:»Nach allem, was ich für ihn getan habe!«Hugh beugte sich über ihn, das Gesicht wie zu Stein erstarrt, und drängte:»Wer? Wer hat es getan, Blount? Wir müssen es wissen!«Er versteifte sich, als eine der geschwärzten Hände des Verbrannten nach seinen weißen Aufschlägen griff.»Du stirbst! Sag's uns,
bevor es zu spät ist!»
Der Kopf des Mannes sank zur Seite; Bolitho konnte fast fühlen, wie seine Schmerzen beim Nahen des erlösenden Todes verebbten.
«Vyvyan!«Noch einen Augenblick gaben ihm Haß oder Lebenswille Kraft. Blount schrie den Namen: «Vyvyan!« Hugh Bolitho stand auf und nahm den Hut ab, stand entblößten Hauptes, als sollte der Regen wegwaschen, was er gesehen hatte. Robins flüsterte:»Dieser Schrei hat ihm den Rest gegeben, Sir. «Hugh wandte sich ab.»Ihm und manchen anderen. «Als Richard Bolitho sich zum Gehen anschickte, sah er den Fleck an seines Bruders weißem Aufschlag, den der sterbende Blount hinterlassen hatte. Im flackernden Licht der Flammen kam er ihm vor wie ein Abdruck der Klaue Satans.
X Feuer frei!
Bolitho senkte sein Teleskop und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Er war klatschnaß, aber genau wie Dancer und die meisten Besatzungsmitglieder der Avenger hatte er keine Ruhe gefunden und erwartete ungeduldig seines Bruders Rückkehr.
Das erste Entsetzen nach dem Auffinden des Mannes, der Vyvyans Beteiligung bei all diesen Verbrechen bestätigte, war schon abgeklungen. Colonel de Crespigny war selbst mit einem Dragonertrupp nach Vyvyan Manor geritten, mußte sich dort aber sagen lassen, daß Sir Henry in einer wichtigen Angelegenheit das Haus verlassen habe und man weder wisse, wohin er gefahren sei, noch wann er zurückkomme. Als der Butler des Obersten Unsicherheit spürte, hatte er noch kühl hinzugefügt, Sir Henry habe nichts hinterlassen, denn er sei es nicht gewohnt, daß sich das Militär für seine Schritte interessiere. Von dieser Seite war also keinerlei Schuldnachweis möglich. Außer der letzten, verzweifelten Anklage eines Sterbenden hatten sie nichts, aber auch gar nichts in der Hand. Man hatte in Vyvyan Manor weder gestohlene Ladung noch Gewehre oder Branntwein gefunden, lediglich zahlreiche Abdrücke im Boden, die auf die kürzliche Anwesenheit vieler Menschen hinwiesen. Huf- und Radspuren sowie Schleifspuren von Fässern und Kisten zeigten deutlich, daß eine Menge der verschiedenartigsten Güter in großer Eile beiseitegeschafft worden waren. Aber auch diese Spuren würden vom anhaltenden Regen bald weggewaschen werden. Auf keinen Fall konnten sie als Beweise dienen. Dancer bemerkte leise:» Morgen ist Weihnachten, Dick. Diesmal wird es vielleicht kein fröhliches Fest werden. «Bolitho sah ihn dankbar an. Dancer war vermutlich der einzige, dem die Untersuchungsverhandlung bis auf eine kurze Zeugenaussage erspart bleiben würde. Seine eigene Rolle, ganz zu schweigen von der Bedeutung seines Vaters in der City von London, würden dafür sorgen. Trotzdem fühlte er sich genauso betroffen wie die Brüder Bolitho, die ihn in die ganze Angelegenheit hineingezogen hatten.
Der Bootsmaat der Wache rief:»Kommandantenboot hat abgelegt, Sir!»
«Gut. Rufen Sie die Fallreepsgäste, und machen Sie alles klar zu seinem Empfang.»
Vielleicht ist es das letzte Mal, daß Hugh als Kommandant empfangen wird, dachte Bolitho. Hugh kletterte an Bord und berührte grüßend seinen Hut.»Rufen Sie alle Mann an Deck, und setzen Sie die Boote ein. «Er warf einen Blick auf den lustlos schlagenden Toppwimpel.»Wir laufen sofort aus. «Nun sah er zum erstenmal die beiden Fähnriche an und fügte bitter hinzu:»Ich bin froh, wenn ich draußen auf See bin, Heimat oder nicht. «Bolitho erstarrte. Somit gab es also keine Hoffnung mehr, keinen Aufschub.