Slade fragte:»Schwierigkeiten, Sir?»
Gulliver sah ihn nachdenklich an. Es war zu kurze Zeit her, daß er selber sich noch in Slades Stellung befunden hatte, um die Bemerkung als harmlos anzusehen. Wollte Slade sich damit beliebt machen? Oder sollte anklingen, daß er sich schon den Offizieren der Messe zugehörig fühlte?
Er befahl kurz:»Beim nächsten Wechsel des Halbstundenglases werden wir Kurs ändern. «Er warf einen Blick auf den kardanisch aufgehängten Kompaß.»Neuer Kurs dann Südwest zu West. Der Kommandant beabsichtigt, die Bramsegel zu setzen, obwohl ich bezweifle, daß wir ihr bei diesem leichten Wind damit auch nur einen weiteren Knoten herauskitzeln können.»
Slade schielte zum Ausguck im Vortopp hinauf.»Das fremde Segel hat also doch etwas zu bedeuten.»
Pallisers Stimme eilte ihm beim Hochkommen auf dem Niedergang voraus:»Es bedeutet, Mr. Slade, daß wenn das Segel morgen früh immer noch da ist es uns tatsächlich verfolgt.»
Bolitho bemerkte Besorgnis in Gullivers Blick und erriet, was Du-maresq ihm und Palliser gesagt haben mochte.
«Ich nehme an, wir können nichts dagegen unternehmen, Sir. Wir sind nicht im Krieg.»
Palliser sah ihn ruhig an.»Wir können eine ganze Menge dagegen tun. «Er nickte, um diese Feststellung zu bekräftigen.»Seien Sie also auf alles gefaßt.»
Als Bolitho sich anschickte, das Achterdeck Pallisers Aufsicht zu überlassen, rief dieser ihm nach:»Und ich werde genau darauf achten, wie lange Ihre Bummelanten brauchen, wenn ich alle Mann zum Bramsegelsetzen rufen lasse!»
Bolitho deutete eine Verbeugung an.»Es wird mir eine Ehre sein,
Sir.»
Rhodes erwartete ihn unten auf dem Batteriedeck.»Gutgemacht, Dick. Er wird Sie respektieren, wenn Sie ihm kontra geben.»
Sie gingen nach achtern zur Messe, und Rhodes sagte:»Sie wissen, daß unser 'Herr und Meiste' beabsichtigt, das andere Schiff aufzubringen, nicht wahr, Dick?»
Bolitho warf seinen Hut auf eine der Kanonen und ließ sich am Tisch nieder.
«Ich nehme es an. «Seine Gedanken wanderten wieder zurück zu den Klippen und Buchten von Cornwall.»Voriges Jahr, Stephen, machte ich Vertretungsdienst auf einem Zollkutter.»
Rhodes wollte gerade eine witzige Bemerkung dazu machen, als er in Bolithos Augen aufsteigenden Kummer gewahrte.
Bolitho sagte:»Es gab da einen Mann, einen großen und angesehenen Gutsbesitzer. Er starb bei dem Versuch, aus dem Lande zu flüchten. Ihm war nachgewiesen worden, daß er Waffen für den Aufstand in Amerika geschmuggelt hatte. Vielleicht denkt der fremde Kommandant, hier liege ein ähnlicher Fall vor, und all die Jahre habe das Gold nur auf die richtige Verwendung gewartet.«Überrascht von seinem eigenen Ernst, zog Bolitho ein Gesicht.»Aber lassen Sie uns über Rio sprechen. Ich freue mich schon darauf.»
Colpoys schenderte herein und ließ sich umständlich auf einem Stuhl nieder.
Er sagte zu Rhodes:»Der Erste Offizier läßt Ihnen sagen, Sie möchten einen Midshipman zur Schreibarbeit in der Kajüte abstellen. «Er schlug die Beine übereinander und bemerkte spöttisch:»Wußte gar nicht, daß unsere jungen Herren des Lesens und Schreibens kundig sind.»
Ihr Gelächter erstarrte, als der Schiffsarzt mit ungewöhnlich ernster Miene eintrat und nach einem prüfenden Blick in die Runde sagte:»Der Oberfeuerwerker hat mir gerade interessante Dinge erzählt. Einer seine Maate hat
ihn gefragt, ob sie die Kugeln der Zwölfpfünder umstauen sollten, um Platz für die Goldbarren zu schaffen. «Er ließ seine Worte einsickern.»Wie lange ist es her? Fünfzehn Minuten, zehn? Es wird das am kürzesten bewahrte Geheimnis aller Zeiten gewesen sein.»
Bolitho lauschte dem regelmäßigen Knarren und Quietschen der Takelage und den Schritten der Wache auf dem Deck über ihnen.
«Seien Sie auf alles gefaßt«, hatte Palliser gesagt. Der Satz hatte plötzlich noch eine andere Bedeutung bekommen.
Am Morgen nach Dumaresqs Enthüllungen über das Schatzschiff stand das fremde Segel noch immer weit achteraus.
Bolitho hatte die Morgenwache und spürte die wachsende Spannung, als das Licht über dem östlichen Horizont zunahm und die Gesichter um ihn herum Form und persönliche Züge gewannen.
Dann kam der Ruf:»An Deck! Segel in Nordost!»
Dumaresq schien darauf gewartet zu haben. Innerhalb weniger Minuten erschien er an Deck, und nach einem flüchtigen Blick auf den Kompaß und die lose killenden Segel bemerkte er:»Der Wind hat abgeflaut. «Er schaute Bolitho an.»Das ist ein mieses Geschäft!«Er riß sich sofort wieder zusammen und sagte:»Ich werde jetzt erst einmal frühstücken. Schicken Sie Mr. Slade nach oben, sobald er auf Wache kommt. Er hat ein Auge für Schiffe aller Art. Er soll sich den Fremdling anschauen, der weiß Gott, wie er es macht gewitzt genug ist, Fühlung zu halten, ohne uns aus den Augen zu verlieren.»
Bolitho sah Dumaresq nach, bis er nach unten verschwunden war, und blickte dann über die ganze Länge der Destiny. Es war die geschäftigste Zeit an Bord. Matrosen schrubbten kniend mit Sandsteinen »Gebetbuch «genannt die Decksplanken, andere reinigten Kanonen oder überholten unter Timbrells kritischen Blicken das stehende und laufende Gut der Masten. Die Seesoldaten übten sich im komplizierten Exerzieren mit Musketen und aufgepflanzten Bajonetten, wobei Colpoys sich im Hintergrund hielt und die Arbeit seinem Sergeanten überließ.