Im nächsten Dorf war es eher noch schlimmer, und es gab dort nicht einmal einen Gasthof. Der Gutsbesitzer erlaubte ihnen mit offensichtlichem Widerstreben, in einer unbenutzten Scheune zu schlafen. Er behauptete, das Haus voller Gäste zu haben, und außerdem. Das Wort sprach Bände. Die Scheune war an einem Dutzend Stellen undicht und stank wie eine Kloake. Die Seeleute, die an äußerste Sauberkeit in ihren engen Quartieren gewohnt waren, gaben ihrer Unzufriedenheit laut Ausdruck.
Bolitho konnte sie dafür nicht tadeln; als Korporal Dyer ihm meldete, daß Stockdale verschwunden sei, antwortete er:»Das überrascht mich nicht, Korporal. Aber halten Sie ein Auge auf die übrigen!»
Eine Weile noch dachte er über den verschwundenen Stockdale nach und wunderte sich, daß ihm der Verlust naheging. Vielleicht hatten Stockdales schlichte Worte ihn doch tiefer berührt, als er selber glaubte. Er schien ihm einen Wendepunkt zu markieren, eine Art Glücksbringer zu sein.
Little rief plötzlich:»Allmächtiger Himmel! Sehen Sie sich das an!»
Stockdale trat pudelnaß ins Licht ihrer Laternen und legte einen Sack vor Bolithos Füße. Die Männer traten heran, als die Schätze daraus im spärlichen Licht sichtbar wurden: mehrere Hühner, frisches Brot, Töpfe mit Butter, eine halbe Fleischpastete und als Höhepunkt zwei große Krüge voll Apfelwein.
Little schnaufte:»Ihr beiden rupft die Hühner! Du, Thomas, paßt auf, daß keine ungebetenen Gäste kommen!«Er sah Stockdale an und holte die Guinee heraus.»Hier, Kamerad, die hast du sauer verdient!»
Stockdale hörte kaum hin. Als er sich über den Sack beugte, krächzte er:»Es war sein Geld. Behalten Sie's. «Zu Bolitho sagte er:»Dies ist für Sie, Sir. «Er hielt ihm eine Flasche hin, die aussah, als enthielte sie echten Kognak. Das rundete das Bild ab: Der Gutsbesitzer hatte sicher die Finger im örtlichen Schmuggel an der Küste.
Stockdale sah Bolitho an.»Ich sorge schon für Sie, Sir. «Bolitho fiel auf, daß er sich unter den geschäftigen Seeleuten bewegte, als hätte er sein ganzes Leben dazugehört.
Little bemerkte ruhig:»Schätze, Sie können aufhören, sich Sorgen zu machen, Sir. Der gute Stockdale ist allein so viel wert wie fünfzehn Mann, jedenfalls nach meiner Schätzung. «Bolitho trank einen Schluck Kognak, während Fett aus einem Hühnerschenkel auf die Manschette seines neuen Hemdes tropfte.
Er hatte eine Menge dazugelernt, nicht zuletzt über sich selber. Sein Kopf sank nach hinten, und er fühlte nicht mehr, wie
Stockdale ihm den Becher vorsichtig aus der Hand nahm.
II Bruch mit der Vergangenheit
Destinyvoll einsetzen müssen, und ein Offizier gehört bestimmt nicht zu ihnen. Sie werden anfangs vielleicht Fehler machen, die werde ich milde beurteilen; aber wenn Sie Ihre Autorität mißbrauchen, werde ich gnadenlos dazwischenfahren. Vermeiden Sie es, bestimmte Leute zu bevorzugen, denn die würden Sie eines Tages ausnutzen.»
Er lachte in sich hinein, als er Bolithos ernstes Gesicht sah.»Leutnant zu sein ist schwerer, als es zu werden. Denken Sie immer daran: Die Leute schauen auf Sie, wenn Schwierigkeiten auftreten; Sie müssen dann so handeln, wie es Ihnen richtig scheint. Ihr bisheriges Leben hat in dem Augenblick aufgehört, als Sie das Kadettenlogis verließen. Auf einem kleinen Schiff ist kein Platz für Einzelgänger mit Anpassungsschwierigkeiten. Sie müssen ein Teil des Ganzen werden, verstehen Sie?»
Bolitho saß wie gebannt auf seiner Stuhlkante. Dieser seltsame Mann hielt ihn mit dem zwingenden Blick seiner weit auseinanderstehenden Augen wie in einem Schraubstock gefangen.
Bolitho nickte.»Ja, Sir, ich verstehe.»
Dumaresqs Blick entspannte sich, als vorn im Schiff die Glocke zweimal angeschlagen wurde.
«Gehen Sie jetzt zum Essen. Ich bin sicher, daß Sie Hunger haben. Mr. Pallisers schlaue Methoden, zu neuen Leuten zu kommen, produzieren gewöhnlich Appetit, wenn schon nicht mehr.»
Als Bolitho aufstand, fügte Dumaresq ruhig hinzu:»Diese Reise ist für viele Leute sehr wichtig. Unsere Kadetten haben meist einflußreiche Eltern, die wünschen, daß ihre Sprößlinge sich auszeichnen und vorwärtskommen in einer Zeit, da der größte Teil der Flotte aufgelegt ist und langsam vermodert. Unsere Fachkräfte, die Deckoffiziere, sind ausgezeichnet, und wir haben einen guten Stamm erstklassiger Seeleute. Die Neuen müssen sich anstrengen, da mitzuhalten. Ein letzter Punkt, Mr. Bolitho, und ich hoffe, mich hierin nicht wiederholen zu müssen: Auf der Destiny steht Loyalität obenan. Loyalität mir gegenüber, Treue zum Schiff und zu Seiner Britischen Majestät. In dieser Reihenfolge!»
Bolitho fand sich noch immer verwirrt von dem kurzen Gespräch außerhalb des Türvorhangs wieder. Poad tauchte auf und fragte aufgeregt:»Alles erledigt, Sir? Ich habe Ihre Sachen an einem sicheren Platz verstaut, wie befohlen. «Er lief ihm zur Offiziersmesse voran.»Den Beginn der Mahlzeit habe ich so lange hinausgeschoben, bis Sie fertig waren, Sir. «Bolitho betrat die Messe, die im Gegensatz zum letztenmal voller Männner war, die sich laut unterhielten.