Little warf die Goldmünze hoch und fing sie wieder in seiner kräftigen Hand auf.»Ich nicht, Kamerad. Offen und ehrlich, wie's bei Josh Little immer zugeht!«Bolitho mischte sich ein.»Was ist hier los?»
Korporal Dyer erklärte, immer wieder prustend vor Lachen:»Er hat den großen Preisboxer auf den Rücken gelegt, Sir. So was hab' ich im Leben nicht gesehen!»
Bolitho blickte Little an.»Wir sprechen uns später. Jetzt lassen Sie die Leute antreten. Wir haben noch mehrere Meilen bis zum nächsten
Ort.»
Als er sich umdrehte, sah er mit Verwunderung, wie der kleine Schausteller auf den Boxer losging. Letzterer stand da wie zuvor, als ob er sich die ganze Zeit nicht bewegt hätte oder gar zu Boden geworfen worden wäre.
Der Schausteller ergriff eine kurze Kette und schrie:»Das ist für deine verdammte Dummheit!«Die Kette landete klirrend auf dem nackten Rücken des Mannes.»Und dies dafür, daß du mich um mein Geld gebracht hast. «Wieder schlug er zu.
Little schaute Bolitho unbehaglich an.»Hier, Sir, ich gebe dem Burschen sein Geld zurück. Ich kann's nicht mit ansehen, daß der arme Kerl wie ein Hund verprügelt wird.»
Bolitho mußte heftig schlucken. Der große Preisboxer hätte seinen Peiniger mit einem einzigen Schlag töten können. Aber vielleicht war er schon so weit abgestumpft, daß er weder Schmerz noch sonst etwas empfand.
Bolitho hatte einfach genug. Erst dieser schlechte Auftakt auf der Destiny, dann sein Mißerfolg bei der Rekrutierung und nun dieser entwürdigende Anblick. Er brachte das Faß einfach zum Überlaufen.
«Sie da, hören Sie sofort auf!«Bolitho machte ein paar Schritte vorwärts, während ihm seine Leute teils bewundernd, teils amüsiert zuschauten.»Legen Sie die Kette augenblicklich hin!»
Der Schausteller schien zunächst eingeschüchtert, gewann aber schnell sein früheres Selbstvertrauen zurück. Von einem so jungen Leutnant hatte er nichts zu befürchten, erst recht nicht hier in der Gegend, wo er oft auftrat und beliebt war.
«Es ist mein gutes Recht!»
Little knurrte:»Überlassen Sie den Lumpen mir, Sir. Ich werde ihm sein >gutes Recht< zeigen!»
Die Angelegenheit schien Bolitho aus den Händen zu gleiten. Einige Dorfbewohner waren hinzugekommen, und Bolitho sah schon seine Leute in eine regelrechte Schlacht mit der Bevölkerung verwickelt, bevor sie sich zu ihrer Barkasse durchschlagen konnten.
Er drehte dem frechen Schausteller den Rücken zu und trat an den Boxer heran. Aus der Nähe wirkte er sogar noch größer, aber statt seiner Größe und Muskeln sah Bolitho nur die Augen, die halb unter vernarbten Brauen verborgen lagen.
«Sie wissen, wer ich bin?»
Der Mann nickte, wobei sein Blick auf Bolithos Mund gerichtet war, als lese er die Worte dort ab.
Freundlich fragte Bolitho:»Wollen Sie in den Dienst des Königs treten? Auf der Fregatte Destiny in Plymouth?«Er stockte, als er das mühsame Verstehen in den Augen des Mannes sah.»Wollen Sie mit mir kommen?«Genauso langsam, wie der Mann nickte, nahm er ohne einen Blick auf den mit offenem Mund dastehenden Schausteller zu werfen sein Hemd und eine kleine Tasche auf.
Bolitho wandte sich zu dem Schausteller um, sein Ärger war nun dem Gefühl billigen Triumphes gewichen. Wenn sie das Dorf hinter sich hatten, würde er den Boxer sowieso freilassen.
Der Schausteller schrie:»Das können Sie nicht machen!»
Little näherte sich ihm drohend.»Hör
auf, Kamerad! Mehr Respekt vor einem Offizier des Königs, oder«Er ließ keinen Zweifel über das» Oder».
Bolitho befeuchtete sich die Lippen.»Antreten, Leute! Korporal, übernehmen Sie das Kommando!«Er sah, daß der Boxer die Seeleute beobachtete, und fragte:»Ihr Name? Wie heißen Sie?»
«Stockdale, Sir. «Selbst der Name kam nur mühsam heraus, seine Stimmbänder mußten in vielen Kämpfen Schaden gelitten haben, so daß sie nur noch heisere Töne hervorbrachten.
Bolitho lächelte ihm zu.»Also Stockdale. Ich werde Sie nicht vergessen. Sie können uns verlassen, wann Sie wollen. «Er blinzelte Little zu.»Jedenfalls bevor wir unser Boot erreichen.»
Stockdale schaute den kleinen Schausteller an, der auf einer Bank saß und die Kette noch immer in der Hand baumeln ließ. Dann brach es keuchend aus ihm heraus:»Nein, Sir, ich werde Sie nicht verlassen. Jetzt nicht und nie.»
Bolitho sah, wie er sich bei den anderen einreihte. Die offensichtliche Ernsthaftigkeit des Mannes rührte ihn.
Little sagte ruhig:»Machen Sie sich keine Sorgen, Sir. Diese Geschichte wird im Nu an Bord bekannt sein. «Er beugte sich vor, so daß Bolitho Bier und Käse riechen konnte.»Ich bin in Ihrer Division, Sir, und werde jeden Lumpen zusammenschlagen, der es wagt, Ihnen Ärger zu machen!»
Ein Strahl blassen Sonnenlichts fiel auf die Kirchturmuhr, als das Rekrutierungskommando schweigend dem nächsten Dorf entgegenmarschierte; Bolitho war froh über das, was er eben getan hatte.
Dann begann es zu regnen, und er hörte Little sagen:»Nicht mehr lange, Dipper, dann geht's zurück an Bord und zu einem kräftigen Schluck.»
Bolitho musterte Stockdales breite Schultern. Ein weiterer Freiwilliger, das machte im ganzen fünf. Er neigte den Kopf unter dem Regen. Fehlten aber noch fünfzehn.