«Mein Gott!«murmelte der Leutnant.
Taylor kam nach achtern gelaufen. Er deutete aufgeregt und verwirrt zum Hafen.»Dort kommen Boote, Sir. «Es waren beinahe ein Dutzend Kutter und Barkassen voller Seesoldaten, die reglos zwischen den Ruderern saßen. Rot wie Blut glänzten ihre Röcke.
Viele Matrosen schienen die Augen nicht von den schweren Geschützen der Euryalus losreißen zu können, als erwarteten sie, daß diese sofort das Feuer eröffneten. Einige starrten auch zum Achterdeck hoch, auf Bolitho; vielleicht hofften sie, ihr Schicksal von seinem Gesicht ablesen zu können.
Das vorderste Boot umrundete das Heck der Fregatte im Feuerschutz des Flaggschiffs und nahm Kurs auf die Fallreepspforte. Cap-tain Rook saß in der Flicht, und als das Boot längsseits kam, rief er hinauf:»Sind Sie in Sicherheit, Sir?»
«Dämlicher Hund«, murmelte Allday, aber Bolitho hatte das nicht gehört. Er blickte hinunter in Rooks dunkelrotes Gesicht und antwortete:»Selbstverständlich. «Hoffentlich hatten es die Matrosen in seiner Nähe gehört. Sie würden in den nächsten Minuten ihre ganze Kraft und ihr ganzes Vertrauen brauchen.
Rook kletterte an Deck und faßte an den Hut.»Wir waren besorgt, Sir, wirklich sehr besorgt. «Dann sah er die beiden Leutnants und schrie sie an:»Übergeben Sie sofort Ihre Degen an den Leutnant der Infanterie!»
«Auf wessen Befehl?«fuhr Bolitho dazwischen.
«Entschuldigung, Sir auf Befehl von Vizeadmiral Broughton«, antwortete Rook und wandte sich etwas verlegen ab, denn jetzt machten die anderen Boote längsseit fest, und die Laufbrücke war auf einmal voll grimmig dreinblickender Seesoldaten, die ihre Musketen mit aufgepflanzten Bajonetten auf die zusammengedrängten Matrosen richteten.
Bolitho ging zu den Leutnants hinüber.»Verlassen Sie sich darauf, ich sorge dafür, daß Sie anständig behandelt werden. «Und mit einem scharfen Blick auf Rook:»Dafür mache ich Sie persönlich haftbar!»
Bedrückt wischte sich der einarmige Offizier die Stirn.»Jawohl,
Sir.»
Bolitho ging wieder zur Achterdecksreling und blickte über die Masse der stummen Matrosen.»Ich habe euch mein Wort gegeben. Haltet Frieden und tut, was euch befohlen wird. Ich gehe sofort hinüber und spreche unverzüglich mit dem Admiral.»
Er sah, daß Taylor zu ihm wollte, aber stehenblieb, als ein Seesoldat mit gefälltem Bajonett dazwischentrat.»Ich habe Euch nicht vergessen, Taylor!«rief er ihm zu.
Dann wandte er sich um und schritt zur Fallreepspforte. Ein Boot kam von der Euryalus, zweifellos, um ihn abzuholen. Broughton wartete auf eine Erklärung.
Er wandte sich noch einmal zu den stumm starrenden Männern um. Sie fürchteten sich vor dem Kommenden; nein, sie waren halb verrückt vor Angst, er konnte ihre Angst beinahe riechen und hätte sie gern beruhigt.
Brice, der alles das angerichtet hatte, fiel ihm plötzlich wieder ein, und der Schreiber Gates, der des Kommandanten Grausamkeit für seine eigenen Zwecke genutzt hatte. Jetzt war Gates in Freiheit, und auch Brice hatte Chancen, ohne großen Schaden aus der Sache herauszukommen. Bolitho biß die Zähne zusammen und wartete ungeduldig, bis das Boot längsseit kam. Wir werden ja sehen, dachte er kalt.
Bolitho lüftete den Hut zum Achterdeck hin und fragte gelassen:»Nun, Mr. Keverne? Ich denke, ich brauche eine Erklärung, und zwar schnell.»
Ebenso gelassen erwiderte
Keverne:»Ich konnte nichts dagegen machen, Sir. Vizeadmiral Broughton kam gestern in der zweiten Hundewache an Bord. Er reiste auf dem Landwege, über Truro. «Hilflos und sorgenvoll hob er die Schultern.»Ich konnte ihm ja Ihre versiegelte Order nicht verheimlichen, und er verlangte, daß ich sie öffne.»
Bolitho blieb an der Kampanje stehen und sah auf die Backbordbatterie hinunter, deren Zwölfpfünder immer noch ausgerannt und auf die Auriga gerichtet waren. Doch die meisten Geschützbedienungen blickten nach achtern auf ihn, überrascht, aber auch besorgt. Sie haben auch allen Grund dazu, dachte er bitter. Aber es war nicht Kevernes Schuld, und das war immerhin etwas. Denn eine Zeitlang hatte ihn der Gedanke beunruhigt, daß Keverne nur zu bereitwillig mit seiner Geheimorder zu Broughton gelaufen wäre, um sich bei dem neuen Admi-ral beliebt zu machen.
«Wie geht es Sir Charles?«fragte er.
Keverne schüttelte betrübt den Kopf.»Nicht besser, Sir.»
Der Zweite Offizier kam herzu und faßte an den Hut.»Der Vizeadmiral erwartet Sie, Sir. «Nervös fingerte er an seinem Degengriff.»Mit allem Respekt, Sir, er scheint etwas ungeduldig zu sein.»
Bolitho rang sich ein Lächeln ab.»Gewiß, Mr. Meheux, das wird offenbar ein hektischer Tag. «Aber ihm war nicht nach Lächeln zumu-
te. Er konnte es zwar dem Admiral nicht übelnehmen, wenn er wissen wollte, wo sein Flaggkapitän steckte. Schließlich waren Admirale es nicht gewohnt, sich zu entschuldigen, wenn sie sich verspätet hatten, oder ihren Untergebenen ihre Gründe zu erläutern. Aber eine Fregatte des eigenen Geschwaders mit den Kanonen des eigenen Flaggschiffs zu bedrohen das war denn doch unerhört.
Absichtlich ging er das letzte Stück zur Admiralskajüte langsamer, um sich für die Konfrontation zu sammeln.