Der Deckoffizier murmelte:»Da hat er recht, Tom. «Er streckte den Kopf vor.»Warum sollen wir 's nicht so machen, wie er sagt? Anhören kann doch nicht schaden.»
Nachdenklich betrachtete Bolitho den Anführer. Tom war also sein Name. Immerhin ein Anfang.
«Hol der Satan eure Augen, allesamt!«schrie dieser, kirschrot vor Jähzorn.»Delegierte wollt ihr sein? Ein Haufen alter Weiber seid ihr!»
Aber seine Wut verflog so rasch, wie sie gekommen war, und Bo-litho mußte wieder an Keverne denken.»Also gut, einverstanden«, sagte der Mann grob und deutete auf den alten Unteroffizier.»Du bleibst hier mit einem Mann als Ausguck. «Und mit einem feindseligen Blick auf Allday:»Diesen Lakaien da kannst du als Geisel hierbehalten. Wenn wir ein entsprechendes Signal geben, legst du ihn um. Wenn uns irgendeiner angreift, schießen wir sie alle beide tot und hängen sie neben unseren ehemaligen Herrn und Gebieter recht so?»
Der Deckoffizier zuckte zusammen, nickte aber.
Mit einem Blick in Alldays finsteres Gesicht sagte Bolitho:»Sie wollten Ruhe und ein Bier. Jetzt haben Sie beides. «Dann legte er ihm kurz die Hand auf die Schulter und konnte dabei den Zorn und die Gespanntheit des Mannes beinahe fühlen.»Es wird schon klargehen. «Er versuchte, seinen Worten etwas mehr Gewicht zu geben.»Wir kämpfen ja schließlich nicht gegen den Landesfeind.»
«Das werden wir sehen. «Der Mann namens Tom machte eine spöttische Verbeugung und öffnete die Tür.»Jetzt gehen Sie vor und verhalten sich anständig. Es macht mir gar nichts aus, wenn ich Sie auf der Stelle niederhauen muß!»
Ohne zu antworten, schritt Bolitho in die Dunkelheit hinaus. Sie hatten die ganze Nacht vor sich, aber bis zum Morgengrauen mußte noch viel getan werden, wenn es Hoffnung auf Erfolg geben sollte. Während er eilig den steilen Pfad hinunterstieg, dachte er wieder an das Strafbuch. Es war eigentlich überraschend, daß sich Männer, die solche Unmenschlichkeiten erduldet hatten, noch die Mühe machten, Gerechtigkeit zu suchen, und das durch Mittel, von denen sie kaum etwas verstanden. Noch überraschender war, daß die Meuterei nicht schon vor Monaten ausgebrochen war. Diese Erkenntnis machte ihm Mut, obwohl er wußte, daß sie nur eine unsichere Grundlage darstellte.
III Flaggengruß
Eine Hand rüttelte ihn an der Schulter.»Hinauf mit Ihnen!»
Als er sich durch die Pforte schwang, wurde eine Laterne aufgeblendet; der gelbe
Lichtstrahl spielte um seine Epauletten, und die Männer drängten sich neugierig heran.
«Also ist er gekommen«, sagte einer.
Dann Taylors Stimme, scharf und befehlend:»Macht Platz, Männer! Wir haben zu tun.»
Wortlos wartete Bolitho ab, bis die Delegierten der Deckswache ihre Instruktionen zugeflüstert hatten. Das Schiff schien unter Kontrolle zu sein; es gab keine Anzeichen von Streit oder Trunkenheit, wie es auch zu erwarten gewesen wäre. Zwei Geschütze waren ausgerannt, vermutlich mit gehacktem Blei geladen, für den Fall, daß ein mißtrauisches Patrouillenboot zu dicht herankam. Auf dem Achterdeck befand sich ein Deckoffizier als Befehlshaber der Wache, aber es waren weder Offiziere noch Marine Infanteristen zu sehen. Der Mann, der Tom hieß, sagte scharf:»Wir gehen nach achtern, und Sie können den Käpt'n sprechen. «Was er dazu für ein Gesicht machte, konnte Bolitho nicht sehen.»Aber keine Tricks!«Bolitho ging nach achtern und duckte sich unter die Kampanjepforte. Obwohl er nacheinander zwei Linienschiffe kommandiert hatte, konnte er sich nicht an ihre beträchtliche Stehhöhe gewöhnen. Vielleicht hatte er sich in all dieser Zeit nach dem Schwung und der Unabhängigkeit eines Fregattenkapitäns gesehnt.
Zwei bewaffnete Matrosen sahen ihn kommen und nahmen nach kurzem Zögern Haltung an. Den Hauptdelegierten schien das zu amüsieren.»So ist's richtig, Jungs Respekt, Respekt, wie sich's gehört wie?«grinste er.
Damit riß er die Tür auf und ließ Bolitho den Vortritt. Die Kajüte, in der drei Laternen brannten, war ziemlich hell, aber die Läden vor den Heckfenstern waren geschlossen, und die Luft war stickig und feucht. Ein Matrose mit einer Muskete lehnte am Schott, und auf der Bank saß der Kommandant der Auriga.
Er war ziemlich jung, etwa sechsundzwanzig, schätzte Bolitho; die einzelne Epaulette auf der rechten Schulter zeigte, daß er noch nicht drei Kapitänsjahre hinter sich hatte. Seine Gesichtszüge waren scharf und feingeschnitten, aber die Augen saßen sehr nahe beieinander, so daß die Nase unproportioniert wirkte. Er starrte Bolitho sekundenlang an und sprang dann auf.
«Das ist Kapitän Bolitho«, sagte der Delegierte rasch und wartete dann, bis sich der Kommandant beruhigt hatte.»Er ist allein. Hat keine Armee Bullen mit, um Sie hier rauszuhauen, fürchte ich.»
Bolitho nahm den Hut ab und legte ihn auf den Tisch.»Sie sind Captain Brice? Dann muß ich Ihnen gleich sagen, daß ich ohne jede andere Autorität als meine eigene hier bin.»
Wie ein Schock ging es über Brices Züge, aber dann fiel das Visier, und er wirkte wieder ruhig. Ruhig, aber wachsam wie ein wildes Tier.
«Meine Offiziere sind unter Bewachung«, erwiderte er,»und die Marine-Infanterie war noch nicht an Bord. Sie sollte direkt von Ply-mouth kommen. «Er schoß einen wütenden Blick auf den Delegierten ab.»Sonst würde Mister Gates hier ein anderes Lied singen, verdammt seien seine Augen!»