Marcello nickte zustimmend. „Genau. Der Trebbiano ist leicht zu trinken und einer der beliebtesten Weine, die man in Italien begleitend zum Essen trinkt. Es gibt kein Restaurant, auf dessen Weinkarte man keinen Trebbiano findet, und deine sind auf einigen davon, nicht wahr, Franco?“
Franco winkte nur bescheiden ab.
„Wir hatten das Glück, dass drei örtliche Restaurants unsere Weine in ihre Karte aufgenommen haben“, sagte er.
Olivia konnte nicht anders. Sie nahm unauffällig noch einen weiteren Schluck dieses großartigen Weins, was Franco noch breiter grinsen ließ. Welch ein Wein! Er schrie förmlich danach, mit Freunden und Familie zum Essen genossen zu werden.
Einen Augenblick lang fand Olivia es schade, dass sie keine Kampagne für diese Weine führen konnte. Sie wünschte, sie hätte die Chance gehabt, diesen Wein in Chicago zu vermarkten anstatt dem Abflussreiniger von Valley Wines, für den sie zuständig gewesen war. Wie schön wäre es, dabei zu helfen, dem Endverbraucher eine solch angenehme Serie aus Weinen voller Persönlichkeit näherzubringen.
Marcello stand auf.
„Ich habe das Vergnügen bekanntzugeben, dass wir im Geschäft sind“, sagte er.
Olivia schaute überrascht zu, wie er und Franco sich umarmten und sich dann energisch die Hände schüttelten.
Was meinte er mit Geschäft? Was passierte hier – würden sie zusammen einen Wein herstellen? Wenn ja, was für einen? Olivia war sich nicht sicher, wie die Weine von La Leggenda mit diesen Weinen harmonisierten, da sie sich in Stil und Geschmack sehr unterschieden. Sie befürchtete, dass sie einfach nicht genug von der Weinherstellung verstand, und dass ihre Kenntnis zu karg war, um zu sehen, wie sich die Produkte von zwei Weinkellereien verbinden ließen.
Sie schätzte, dass das der Hauptgrund für Marcellos Trip nach Pisa gewesen war. Er wirkte zufrieden, und beide Männer lachten aufgeregt, als Franco einen Stapel Papiere aus dem Regal über dem Tresen hob.
Olivia spürte, dass das ein verheißungsvoller Moment war, aber obwohl sie versuchte, einen Blick auf die Papiere zu werfen, konnte sie sich keinen Reim darauf machen, da sie auf Italienisch verfasst waren. Zudem in italienischem Kleindruck. Wenn es auf eine Reklametafel gedruckt wäre, hätte sie sicherlich einige verständliche Worte herauspicken können.
Mit aller Geduld, die sie zusammenbringen konnte, hockte sie also erwartungsvoll auf dem Stuhl und hoffte, dass Marcello ihr bald den Zweck ihres Besuchs auf diesem bescheidenen, aber hervorragenden Weingut offenbaren würde.
KAPITEL SIEBEN
Marcello verstaute den schwarzen Ordner mit seiner Kopie der unterschriebenen Dokumente im Kofferraum des SUVs, und sie stiegen ein.
Als sie abfuhren, stand der noch immer strahlende Franco auf den Stufen seiner Weinkellerei und winkte begeistert. Marcello ließ die Fenster herunter, und sie winkten zurück, bis das kleine Gebäude in der Ferne verschwand.
„Nun!“, sagte Marcello. „Ich glaube, ich habe ein wenig impulsiv gehandelt, aber ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war. Deine Reaktion auf den Wein hat mir dabei geholfen.“ Er seufzte. „Aber jetzt bin ich arm. Arm, aber glücklich. Und hoffnungsvoll!“
Seine Euphorie war ansteckend. Oliva bemerkte, dass sie ihn angrinste, obwohl sie noch immer nicht wusste, wieso.
„Worum ging es überhaupt?“, fragte sie.
„Franco ist ein alter Freund der Familie“, sagte Marcello. Er hat sein Geschäft über Jahrzehnte hinweg aus dem Nichts aufgebaut, aber er hatte einige Rückschläge verkraften müssen, und seine Weine haben nie die Verkaufszahlen erreicht, die er sich erhofft hatte.“
„Das liegt aber nicht an fehlender Qualität. Diese Weine waren vorzüglich“, sagte Olivia.
Marcello nickte. „Er fragt uns schon seit Jahren, ob wir nicht darin investieren wollen. Er will sich bald zur Ruhe setzen und würde gerne sehen, dass seine Kreation weitergetragen, aktiver vermarktet und zu höheren Produktionszahlen expandiert wird. Ich habe bald bemerkt, dass es ein wichtiger Schritt für uns ist. Diese Weine sprechen jeden an, wie du schon gesagt hast. Sie sind leicht zu trinken. Das wird uns erlauben, in diesen sehr wichtigen Markt einzusteigen und dabei noch immer ein Qualitätsprodukt anzubieten.“
„Du hast dich also entschieden, zu investieren?“
Olivia fand den Gedanken daran spannend und erkannte, dass das sowohl ein Gewinn für den freundlichen Franco als auch ein strategischer Zug in einen neuen Markt für La Leggenda sein konnte.
Marcello nickte. „Mehr als das. Wir haben die ganze Kellerei aufgekauft.“
Olivia schnappte erstaunt nach Luft. „Das ist eine gewaltige Entscheidung! Wie aufregend!“
„Ich bin auch sehr aufgeregt. Bisher konnten wir es uns nicht leisten, da wir bestehende Geschäftskredite für die riesige Expansion abbezahlt haben, die wir vor fünf Jahren vorgenommen haben. Ich glaube, Franco hat während dieser Zeit nicht zu angestrengt versucht, an andere zu verkaufen. Er hatte gehofft, dass wir seinen Traum voranbringen könnten. Jetzt können wir es uns leisten – aber nur gerade so. Es wird eng, denn hier muss viel renoviert werden. Es gibt so viel zu tun. Aber das Potenzial ist da.“
„Ich freue mich mit dir“, sagte Olivia.
„Jetzt, wo das Geschäft abgeschlossen ist, glaube ich, dass wir den restlichen Tag genießen sollten. Lass uns feiern“, sagte Marcello. „Auf was hast du Lust?“
*
Eine halbe Stunde später stand Olivia unter dem Stadttor Porta Santa Maria und bestaunte die grünen Grasflächen und die exquisiten marmorweißen Gebäude, die einen Teil der Piazza dei Miracoli bildeten. Dort befand sich auch ihr Traumziel, der Schiefe Turm von Pisa. Immer, wenn sie die Fotos von Freunden bestaunt hatte, hatte sie gedacht, es wäre nur irgendein Turm auf irgendeinem grünen Rasen. Sie hatte sich nie träumen lassen, dass er Teil eines solch faszinierenden Komplexes war, voller historischer, religiöser und kultureller Bedeutung.
Marcello an ihrer Seite zu haben, als sie den Platz der Wunder betrat, machte den Augenblick noch viel denkwürdiger. Sie konnte sich glücklich schätzen, dieses unglaubliche Ausflugsziel in Gesellschaft mit dem gutaussehendsten Mann Italiens besuchen zu dürfen.
„Hier gibt es so viel zu sehen.“ Marcello deutete auf ein eindrucksvoll dekoriertes, rundes Gebäude. „Das ist das Baptisterium von San Giovanni, in dem der berühmte Galileo Galilei getauft wurde. Heute steht es leer, aber die Akustik darin ist großartig. Du wirst das Echo darin hören können, wenn wir gehen und sprechen. Oder wir könnten uns auch einmal mit Singen versuchen.“ Er lächelte. „Als Kind hat mich das dort immer am meisten fasziniert.“
Olivia war von dem gewaltigen, hallenden Innern dieses historischen Gebäudes wie gefesselt. Von dort aus zogen sie weiter zum Duomo, einer Kathedrale aus dem elften Jahrhundert. Sie hatte nicht gewusst, dass der bezaubernde Schiefe Turm von Pisa lediglich der Glockenturm dieser Kathedrale war, obwohl es die lehnende Struktur war, die ihm den ganzen Ruhm und so viele Urlaubsfotos verdankte.
Als sie die Kühle des riesigen Doms betraten, reckte Olivia ihren Hals, um die unfassbaren Details in der hohen, gefliesten Decke, die atemberaubenden Skulpturen und die faszinierenden Gravuren zu bestaunen, die die riesige, sechseckige Kanzel umgaben. Welch Leidenschaft und Kunstfertigkeit mussten in dieses Projekt gesteckt worden sein, welches mit Sicherheit etliche Jahre bis zur Fertigstellung gebraucht hatte.
Dann erklomm sie mit Herzklopfen die Wendeltreppe des Schiefen Turms. Sie war begeistert zu sehen, wie abgenutzt die flachen Steinstufen waren. Wie viele Füße mussten hier schon hoch- und runtergelaufen sein, um diese sanfte Vertiefung in ihrer Mitte zu erschaffen? Das Gefühl von Geschichte verzauberte sie. Sie war froh, dass sie sich für diesen gewundenen Aufstieg für Sandalen entschieden hatte, in denen sie gut laufen konnte.