„Uns ist nichts aufgefallen.“
„Gibt es jemanden, der einen Schlüssel zu ihrem Haus haben könnte? “
„Keinen. Ich hatte nie einen Anlass, einen Schlüssel zu vergeben. Wir hatten nie eine Haushälterin oder eine Putzfrau, keine Familie, die über Nacht blieb. Nichts dergleichen.“
„Und wie steht es mit einer Alarmanlage? Ich habe keine gesehen, als meine Partnerin und ich das Haus besuchten. “
„Keine. Wir haben immer gesagt, dass wir in eine investieren sollten, aber die Nachbarschaft ist so sicher… es ist etwas, das wir immer aufgeschoben und nie in Angriff genommen haben. “
„Eine letzte Sache, Frau Luntz…. Es tut mir leid, es könnte schwierig sein.“
„Ist schon in Ordnung.“
„Die Leiche ihres Mannes wies ein sehr merkwürdiges Kennzeichen auf —“
„Die Socke im Mund,“ sagte sie. Sie sagte es, als gäbe sie die Schlüsselzeile eines komischen Witzes zum Besten… als wenn sie gewusst hatte, was kommen würde.
„Ja. Haben Sie eine Idee, was es damit auf sich haben könnte?“
„Absolut keine,“ erwiderte Sherry mit weinerlicher Stimme. „Als ich ihn so fand, wusste ich, dass er etwas im Mund hatte. Aber ich wusste nicht, was es war. Ich erfuhr erst was es war, als ich mich Stunden später daran erinnerte und nachfragte. Kommissar Anderson erzählte mir, dass es eine Socke war. Ich dachte, ich sei vielleicht noch ohnmächtig und hätte einen komischen Traum aber …. Nein. So war es. Er hat mir sogar gestern Abend ein Foto davon gezeigt … nachdem der Gerichtsmediziner…“.
„Ist in Ordnung, wir können aufhören, Frau Luntz“ erklärte Chloe.
„Ich weiß nicht, ob es irgendwie hilft oder nicht“, fuhr Sherry fort „aber es war nicht seine Socke. Er hasste diese dicken schwarzen Socken – selbst im Winter. Er hatte oft Schweißfüße und diese dicken Socken waren ihm unangenehm.“ Ein Anzeichen von einem Lächeln kam auf ihre Lippen, als sie sich an seine kleine persönliche Abneigung erinnerte.
Chloe fasste in ihre Jackentasche und holte eine Visitenkarte heraus. Sie überreichte sie Tamara, um Sherry keine weitere Last oder Verantwortung aufzubürden. „Bitte…, wenn eine von Ihnen sich an irgendetwas weiteres erinnert, egal wie unbedeutend, rufen Sie mich an.“
„Natürlich“ entgegnete Tamara. Sie schaute Chloe fast nicht an. Sie beobachtete ihre Schwester, schätzte ihre Kraft ein. Nach kurzer unangenehmer Stille stand Tamara auf, um Chloe zur Tür zu bringen.
Tamara trat mit ihr auf die Veranda und schloss die Tür hinter ihnen. Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah Chloe fast entschuldigend an.
„Sie malt nicht nur ein hübsches Bild,“ begann sie. „Bo war einer der guten Typen, wissen Sie? Bescheiden, freundlich, liebte seine Frau und seinen Sohn. Ich glaube nicht, dass ich jemals ein schlechtes Wort über ihn gehört habe – nicht mal von unserer Mutter… und das heißt was.“
„Ich beginne, das zu verstehen. Ich muss Sie allerdings noch eines fragen… rein aus Formalität.“
„Ob ich glaube, dass Sherry es getan haben könnte?“
Chloe zog die Stirn zusammen und nickte. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es nicht war, aber ich muss es für die Akte von jemandem hören, der sie gut kennt.“
„Sherry kann es unmöglich gewesen sein. Und selbst wenn ich dächte, dass sie auch nur über so etwas nachgedacht haben könnte, können sie mit ihrer Arbeit sprechen. Hat die Polizei allerdings schon getan. Sie haben Kameraaufnahmen von Sherry, als sie das Gebäude an dem Nachmittag um zwei nach fünf verlassen hat. Wenn man die Zeit, die sie für den Mord annehmen, berücksichtigt, kann sie es unmöglich gewesen sein.“
Chloe wollte fast noch etwas graben, fragen, ob es irgendwelche Leichen in Bos Keller gab. Aber sie fühlte, dass sie aus Tamara nichts herauskriegen würde und dass es sie verärgern würde. Und derzeit schien sie die trauernde Frau und ihre unterstützende Schwester auf ihrer Seite zu haben, was bei späteren Fragen nützlich sein konnte.
„Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben. Und bitte… auch die unwichtigsten Dinge, erzählen Sie sie mir“, verabschiedete sich Chloe.
„Machen wir.“
Chloe eilte die Veranda hinunter und ihrem Auto entgegen in der Hoffnung, dass Rhodes etwas aufgedeckt hatte. Rhodes hatte ein Talent zu bohren, ohne unhöflich zu erscheinen und sie befragte nur Nachbarn ohne emotionale Bindung. Vielleicht hatte sie mehr Glück gehabt. Chloe fuhr in die Nachbarschaft der Luntz zurück. Der Nieselregen nieselte noch immer vor sich hin und tauchte den Tag in ein graues Kleid.
Chloe war nicht abergläubisch und glaubte nicht an Omen, aber trotzdem fragte sie sich, ob der Regen, der dichter zu werden schien, ein Vorzeichen war.
Kapitel sieben
Rhodes schien gute Laune zu haben, als Chloe sie abholte. Wenn sie überhaupt etwas nervte, dann war es die Tatsache, nass geworden zu sein. Chloe setzte den Wagen sofort in Bewegung, noch bevor sie anfingen, ihre Erkenntnisse zu besprechen. Sie wollte dem Regen entfliehen, vielleicht in einem Café oder einem Bistro. Dort könnten sie dann reden und die nächsten Schritte planen.
„Glück gehabt?“, fragte sie, als sie zu der großen Durchgangstrasse kamen.
„Nun, ich habe entdeckt, dass es hier eine Art Bo Luntz Fan Club gibt.“, seufzte Rhodes. „Nicht nur, dass jeder ihn mag, einige Leute haben sogar ihr Bedauern ausgesprochen, ihn nicht besser kennengelernt zu haben.“
„Mit wie vielen haben Sie sprechen können?“
„Ich habe die Straße abgeklappert. Die meisten waren natürlich bei der Arbeit, aber ich habe es geschafft, mit vier Personen in drei Häusern zu sprechen. Eine ältere Dame in einem der letzten drei Häuser hinter dem Haus Luntz erzählte mir, dass Bo ihr drei Wochen lang sein Auto geliehen hat, als sie ihres kaputt gefahren hatte und ihre Versicherung sich dumm gestellt hat. Keine Fragen hat er gestellt, obwohl er sie kaum kannte.“
„Und niemand hat etwas gehört oder gesehen?“, fragte Chloe.
„Nichts.“
„Scheint derzeit ein wiederkehrendes Thema zu sein“, sagte Chloe und dachte daran, wie einfach Danielle und ihr Vater einfach verschwunden waren.
Sie sinnierten beide darüber nach, bis sie nach einigen Meilen zu einem einfachen kleinen Bistro kamen. Ein Möchte-gern-Hipster-Café, das auf glutenfreien Muffins spezialisiert war. Sie arbeiteten schon lange genug zusammen, um selbstsicher in den Laden zu treten, zu bestellen, die Toiletten aufzusuchen und sich dann am Tisch zu treffen, um den Fall zu besprechen. Chloe wunderte sich manchmal, wie weit sie gekommen waren. Es schien erst gestern gewesen zu sein, dass Rohdes fast verschnupft gewirkt hatte, Chloe als Partner bekommen zu haben. Das war natürlich, bevor Chloe ihr das Leben gerettet hatte, als bei ihrem ersten gemeinsamen Fall auf sie geschossen worden war. Chloe schlürfte ihren schwarzen Kaffee, während Rhodes von ihrem Chai Latte trank. Sie gingen gemeinsam durch die Notizen, verglichen, stellten entgegen und kamen zu dem Schluss, dass Nachbarn und Familie den ganzen Morgen nichts Neues angeboten hatten.
Chloe konnte nur eine neue Erkenntnis beisteuern. „Ich denke, die Ehefrau kann ausgeschlossen werden. Ihre Schwester sagte, die Polizei hätte mit Sherrys Arbeit gesprochen, und sie hat das Gebäude um zwei nach fünf verlassen. Die Zeitabfolge funktioniert einfach nicht.“
Rhodes nickte, während sie durch die wenigen Aufzeichnungen blätterte, die sie zu dem Fall hatten. “Sie schätzen, dass er zwischen halb vier und viertel vor fünf ermordet wurde. Leute in Bos Büro wollen ihn bis halb vier gesehen haben. Einem Kollegen zufolge, hatte Bo erwähnt, dass er früher gehen wollte, um etwas Besonderes für seinen Hochzeitstag vorzubereiten.“