Иличевский Александр Викторович - Matisse / Матисс. Книга для чтения на немецком языке стр 11.

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»Und ich zu Sojka: Was denn? Bin ich vielleicht ein Jude, dass ich alles nach Hause schlepp, oder was?! He? Da glotzt du nur, Nutte! Genau … glotz nur!«

Oder: »Nee, Junge, was ist schon ein Russe? Nix. Fliegendreck! Ein Russe kann mit leerem Magen nicht arbeiten. Erstens. Und mit vollem Magen will er nicht. Zweitens. Und du sagst: Unser Land …! Keine Ahnung hast du!« Skorytsch klopfte mit dem Röstbrot auf die Ablage und schlug dabei die verkohlte Rinde ab. »Du bist noch ein Küken. Ein echtes Küken.«

Die Panzer schossen, aus den Fenstern des Weißen Hauses stieg Qualm auf, überall sah man die orangen Wassertanks der Sprengwagen, die als Barrikaden aufgestellt waren.

Immer wieder knatterten MPs, und dann schwappte das dichte Menschengewühl wie die Fettschicht auf der Suppe zu den Hofeinfahrten des großen Eckhauses, zum Fluss, auf die Uferstraße.

Wadja geriet in einen Taumel, in Euphorie. In all ihrer Abstraktheit hatten Kampfhandlungen etwas Spektakuläres.

Die Panik verflog schnell, ebbte ab. Die in der Masse eingezwängten Menschen liefen zurück zur Brücke. Sie spähten, reckten die Hälse, stellten sich auf Zehenspitzen.

Die Wellenbewegungen der Menge zeigten, dass es irgendwo eine unsichtbare Quelle der Panik gab. Inmitten der Menschen wurde Wadja wie alle anderen von nackter Angst gepackt; dass man die Quelle nicht sah, war beklemmend, und eine grausame Leichtigkeit hing über dem Platz, dem Fluss und der Stadt.

Die Panzer gaben beim Wenden Gas, umhüllten sich mit graublauen Wolken und schwenkten die Geschütztürme. Von den flammenden Fenstern des Weißen Hauses stiegen schwarze Rauchsäulen auf. Geduckte Soldaten in olivfarbenen, Raumanzügen gleichenden Uniformen arbeiteten sich Stück für Stück zu den Seiteneingängen vor.

XV

Die Züge der Metro fuhren nur bis zur Haltestelle Puschkinskaja. Wadja lief die Bronnaja und Spiridowka entlang bis zum Gartenring*, wo er zwei ältere Ausländer einholte. Sie sahen sich um. Ein hilfloses, verängstigtes Lächeln lag auf ihren Gesichtern. Sie hatten einen Hund bei sich, einen Pudel. Der eine, ein Dicker im Mantel mit einer Damenuhr am behaarten Handgelenk, trug auf der Schulter eine Videokamera.

Hinter zwei dicht nebeneinander stehenden Sprengwagen hatten sich fünf Soldaten mit Stahlhelmen und Schutzwesten verschanzt und horchten gemeinsam auf die Befehle aus ihren Funkgeräten.

Der schwarze Pudel scharwenzelte zwischen den Beinen der Ausländer herum. Er trippelte, schabte über den Asphalt, nervös klackernd wie auf Zehenspitzen[31], und schaute sich immer wieder um.

Plötzlich kamen die Soldaten in Bewegung, liefen hinter dem Sprengwagen hervor, ließen sich auf die Knie fallen und feuerten mit ihren Maschinenpistolen auf die oberen Etagen des Hochhauses an der Ecke zum Arbat.

Wadja warf den Kopf in den Nacken und sah, wie die Fensterscheiben der oberen Etagen barsten, wie da oben Ellbogen, Köpfe vorbeihuschten; etwas blitzte, blinkte, Sonnenreflexe rieselten herab … Unendlich langsam fiel eine abgerissene schwarze Kunststoffverkleidung hinunter, segelte als funkelndes, schwingendes Parallelogramm zu Boden.

Mit einem Mal verstummten die Schüsse, und die MP-Schützen schlüpften einer nach dem anderen geduckt unter die Hinterachse des Sprengwagens. Der Letzte rutschte verbissen auf den Knien hinterher, das Gewehr an die Brust gepresst, und kippte um. Als hätte er keine Beine.

Irgendwo knallte es noch einmal – da preschte der Pudel auf die Fahrbahn, trippelte im Zickzack[32], blieb stehen, lief weiter, lief wieder zurück.

Der ältere Ausländer, mit einer dünnrandigen Brille und einem Seidenschal um den Hals, brummelte unentschlossen vor sich hin, setzte an und stürmte dann plötzlich dem Hund hinterher: lief quer über den Gartenring, streckte den Arm aus, pfiff, duckte sich, schaute hastig nach oben, nach allen Seiten, rannte zurück, aufgeschreckt von einem Schützenpanzerwagen, der vom Straßenrand auf ihn zurollte, und lief dann doch weiter. Fast hatte er ihn erreicht, da schaute der Hund sich um, zuckte zusammen, setzte an und wollte gerade in die Arme seines Herrchens stürzen, als sich das Geknalle für kurze Zeit wieder verstärkte; plötzlich flog der Pudel in die Luft, überschlug sich, streckte die Pfoten von sich, da flog etwas zur Seite, er hüpfte noch einmal hoch, auf der Stelle, auf drei Beinen – und landete auf dem Rücken. Der Ausländer ließ sich abrupt zu Boden fallen, schlingerte bäuchlings über den Asphalt, kroch schnell vorwärts, erstarrte, kam auf alle Viere, krabbelte los, warf dabei die Beine hoch und erreichte in Schlangenlinien wieder den Bürgersteig. Sein schmutzverschmiertes Gesicht war verzerrt, auf der Wange glühte eine breite Schürfwunde. Er atmete schwer und sagte kein Wort.

Drei behelmte Soldaten donnerten auf dem Bürgersteig vorbei. Zwei von ihnen zogen ein Dreibein hinter sich her, mit einer Gegengewichtsscheibe und einer Rotationsvorrichtung, die wie ein Teleskop aussah. Der Dritte bog sich tapsend unter einem großkalibrigen Maschinengewehr. Als sie die Brüstung einer Fußgängerunterführung erreicht hatten, stellten sie das Geschütz auf und begannen es auszurichten.

Der Dicke filmte immer noch, drehte an der Linse. Der andere drückte sich an eine Hausfassade und trat unentschlossen von einem Bein aufs andere. Sie hatten Angst, sich von den Soldaten wegzubewegen, aber auch Angst zu bleiben, selbst wenn das interessanter war.

Mit einem Mal kam von hinten ein Soldat angepoltert. Im Laufen kommandierte er:

»Alle in die Unterführung! Gleich beginnt der Angriff!«

Die Ausländer stürzten die Treppe hinab, Wadja hinterher.

Oben, hinter ihnen, krachte, knallte, donnerte es plötzlich, Druck legte sich auf die Ohren. Durch die ganze Unterführung hallte ein Tönen und Dröhnen, Staub rieselte herab.

Die Ausländer blieben unten, Wadja aber ging auf die Straße hinaus und schlug, ohne sich umzusehen, den Weg zum Fluss ein, zur Trjochgorka.

Die hohe klare Luft, das langsame, zerstreute Licht, voll silbriger Schwebeteilchen, floss andächtig über Moskau hinweg.

Immer wieder schossen laut heulende Rettungsautos unter der Brücke hervor auf die Uferstraße.

Menschen kamen aus dem Weißen Haus gerannt, sie liefen mit erhobenen Armen. Krankentragen wurden gebracht. An der Treppe hinab zum Fluss durchsuchten Soldaten die sich Ergebenden. Nach mehreren Schlägen auf den Hals und den Hintern, in die Rippen und den Magen stießen sie sie die Stufen zur Uferstraße hinunter.

Nadja hatte sich an die Tauben gewöhnt. Sie landeten auf ihr, schliefen auf ihr wie kleine Schiffchen, die Füße eingezogen. Als die Tauben unruhig wurden, schreckte sie hoch.

Die Luke öffnete sich ein wenig, ein Kopf tauchte auf. Die Tauben stoben auf, segelten herunter. Eine Taube landete auf der Luke, ließ Dreck herabplumpsen. Und flog wieder auf.

Eine Frau steckte ihren Oberkörper durch die Luke, stellte lautlos einen kleinen Koffer ab und stemmte sich hoch.

Ein kurzer Bob, Jeans, Lederjacke. Unter den Haaren war das weiße Spiralkabel eines Kopfhörers zu sehen.

Das von den Ritzen und schiefen Dachbalken gespaltene Licht zerlegte den Raum des Dachbodens in einzelne Scheiben.

Ein Lichtstreifen lief quer über Nadjas Brust, über ihre gekreuzten Arme.

Vorsichtig, jede Bewegung vermeidend, ließ sie den Blick an sich hinabwandern, legte die Arme neben sich, reckte das Kinn in die Höhe.

Und schaute mit weit aufgesperrten Augen an die Decke, nach oben. Wie tot.

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