Da die Tschetschenen in geschlossener Masse beisammen wohnen, so finden sich innerhalb der gezeigten, die in tschetschenischen Dörfern wohnen. Eine Ausnahme macht nur das ganz überwiegend russische Grosny mit seiner Erdölindustrie, das bisher ein Verwaltungsgebiet für sich bildete, neuerdings jedoch zum Autonomen Gebiete der Tschetschenen geschlagen worden ist. Umgekehrt gibt es außerhalb dieses autonomen Gebietes keine Tschetschenen, abgesehen von den Bewohnen einiger weniger Dörfer, die der Sowjetrepublik Daghestan zugeteilt worden sind.
Der Gesamtflächenraum des Gebietes mag nach roher Schätzung etwa 10 000 qkm betragen, würde also nur etwa ¼ der Fläche Ostpreußens ausmachen. An Einwohnern zahlte man im Jahre 1926, 311 000 ohne die 95 000 Einwohner des Bezirkes von Grosny.
Wie ein Blick auf die Karte zeigt, besteht das Tschetschenengebiet aus einem gebirgigen und einem ebenen Teil, die ungefähr gleich groß sind.
II. Lage des Tschetschenengebietes im Gebirgsbau des Kaukasus
Der Gebirgszug des Kaukasus läßt sich zwanglos in drei große Hauptteile zerlegen, eine Einteilung, die auch von den meisten Geographen bevorzugt wird, drängt sie sich doch sozusagen von selbst auf. Die lange Kette gewaltiger Schneegipfel und Firnfelder im zentralen Teil wird zunächst als Einheit empfunden. Der Grenzpunkt gegen die beiden äußeren Drittel kann verschieden gewählt werden. Der Geologe wird als Grenze nach Osten hin die Terekschlucht annehmen, da dort die kristallinen Gesteine unter die alten dunklen Schiefer des Ostkaukasus untertauchen; orographisch wird man als östlichen Grenzpunkt des zentralen Teils besser den Gebirgsknoten des großen Borbalo betrachten. Etwa 50 km westlich des Elbrus beginnt das westliche Drittel des Gebirges, das, rasch niedriger werdend, schließlich in der Halbinsel Taman sein ende findet.
Viel klarer als das westliche Drittel erscheint das östliche als eigenartiger, selbständiger Gebirgsteil abgesetzt, der Daghestan. Dies mächtige schildartige Dreieck scheint eigentlich nur eins mit dem übrigen Gebirge gemeinsam zu haben: die gleichsinnige, geradlinig fortgesetzte Erstreckung des wasserscheidenden Kammes von WNW nach OSO. Der ganze Südhang des Kaukasus fehlt hier; er ist abgesunken. An seiner Stelle breitet sich dafür die sonnige Ebene Kachetiens. Scharf, wie abgeschnitten, liegen hier Hochgebirge und flache Niederung unvermittelt nebeneinander. Man vergleiche damit die breite Entwicklung des Südhanges im zentralen und westlichen Kaukasus. Aber auch der stehengebliebene Nordhang des Daghestans ist in seiner Gliederung und in seinem Aufbau grundverschieden von dem des zentralen Kaukasus.
Seit langem unterscheidet man am Nordhang des Kaukasus mehrere parallele Ketten, die bald mehr, bald weniger klar zu erkennen sind. Allen Teilen des Gebirges gemeinsam ist der Hauptkamm. Diesen Namen führt er nicht deswegen, weil sich in ihm das Gebirge zu seiner größten Höhe erhebt, sondern weil er die Wasserscheide überall bildet; nirgends wird er von einem Flusse durchbrochen. Die höchsten Erhebeungen finden sich vielmehr in dem ihm nördlich vorgelagerten sogenannten Seitenkamme, wie Elbrus, Koschtan-tau, Dych-tau und Kasbek. Durch viele Quertäler erscheint er in einzelne Massive aufgelöst. Mehrfach ist er durch Querjoche mit dem Hauptkamme verbunden, nach Südosten glaubt man im hohen Basch-lam und der Bogosgruppe im Daghestan zu erkennen.
Weiter unterscheidet man den Felsigen Kamm (skalistyi chrebjet der Russen), darauf folgend den Almenkamm (pastbischtschnyi chr.) und schließlich den oder die Waldigen Kämme (ljessistyi chr.). Was jedoch den Felsigen Kamm anbelangt, so muß bemerkt werden, daß dieser Name im zentralen Kaukasus gepräht wurde, wo diese Kette größere Höhen erreicht als östlich der georgischen Heerstraße; im Tschetschenengebiete zeigt er nur noch stellenweise felsigen Charakter; der Felsige Kamm ist hier größtenteils genau so mit Almen bedeckt wie der nördlich von ihm sich hinziehende sogenannte Almenkamm.
Diese langen, durch viele Quertäler in einzelne Teile aufgelösten parallelen Kettenzüge sind charakteristisch für den zentralen Kaukasus. Die äußeren Ketten werden zwar durch den Einbruchskessel von Wladikawkas teilweise unterbrochen; doch ist östlich der Georgischen Heerstraße die ganze Reihenfolge der Kämme, vom Hauptkamm bis zu den Waldigen Kämmen, wieder klar zu erkennen. Das gilt noch für die ganze westliche Tschetschnja4), doch nur bis zum Argun. Östlich dieses Flusses tritt mit Macht eine andere Erhebungsrichtung in Erscheinung, die von SW nach NO zieht und die bisher ausschlaggebende Richtung WNW-OSO weitgehend verdrängt. Diese Erhebungsrichtung SW-NO ist bestimmend für die Gestaltung des Daghestans. Dadurch kommt ein fremdes Element in das System des Kaukasus, das seinen bis dahin so einheitlichen Charakter ganz verwischt. Gleich einer ungefügen schweren Masse, gleich einem Fremdkörper scheint der Daghestan in dem sonst so wohlgeordneten Kettengefüge des Kaukasus zu hängen. Abgesehen von der anderen Orientierung seiner Gebirgszüge ist es vor allem die seltsame Abgeschlossenheit, die den Daghestan so aus dem Rahmen des übrigen Kaukasus herausfallen läßt. Ein mächtiger Kalkgebirgswall umschließt ihn im NW, N und O und zwingt die Wasser der vier Koissuflüsse, sich in einem tiefen Caňon von seltener Großartigkeit sich durch diese Mauer einen Ausweg zum Kaspischen Meere zu bahnen.
Eigenartiger Faltenbau und tiefgreifende Erosion haben besonders im tiefer gelegenen nordwestlichen Teile dieser riesigen natürlichen Festung ein chaotisches Durcheinander von scharfen Kämmen, breiten, rings isolierten blockartigen Plateaus und tiefen Schluchten geschaffen, in dem es selbst von erhöhtem Standpunkt aus schwierig ist, sich zu orientieren. Erst bei genauerem Studium erkennt man, daß auch dieses vermeintliche Chaos gesetzmäßig gestaltet ist.
Es ist hier nur die Rede vom inneren Daghestan mit den vier Koissu-Flüssen; außer Betracht bleibt das ganze Gebirgsland zwischen diesem Koissu-Daghestan und dem Kaspischen Meere, also das Schach-dagh- und Dibrarsystem, da es für das hier näher zu behandelnde Gebiet keine Bedeutung besitzt.
Der Gebirgszung, bei dem diese bedeutungsvolle SW-NO Richtung am auffälligsten in Erscheinung tritt, ist gleichzeitig ein Teil jenes schon erwähnten Grenzwalls, der den Daghestan rings gegen die Außenwelt abschießt. Auf ihm verläuft die Wasserscheide zwischen dem flußgebiet des Sulak und dem des Terek; auf ihm zieht auch die politische Grenze entlang, wie schon eingangs erwähnt wurde. Sein Außenhang liegt ganz im Bereich der Tschetschnja; er ist der hervorstechendste Zug in der Orographie ihres östlichen Teils.
Die Folgerungen daraus ergeben sich nunmehr von selbst. In der Tschetschnja treffen die beiden großen Einheiten, des kaukasischen Gebirgsbaues aufeinander, das Kettengefüge des zentralen Kaukasus und der quer dazu liegende daghestanische Block. Der westliche Teil ist im zentralkaukasischen, der östliche im daghestanischen Sinne beeinflußt. Man kann somit die Tschetschnja als Übergangsgebiet zwischen dem Nordhang des zentralen und des östlichen Kaukasus bezeichnen.
Ebenso wie das Gebirge läßt sich auch Ziskaukasien oder, wie die Russen sagen, der Nordkaukasus in drei Hauptteile zerlegen. Es sind dies das Kubangebiet im W, in der Mitte die Stawropoler Höhen und im O die Niederung des Terek und der Kuma.
Das östliche Drittel Ziskaukasiens, mit dem wir es hier allein zu tun haben, zerfällt in zwei klar von einander geschiedene Teile. Der nördliche Teil, die weite, zwischen Terek und Kuma sich breitende Nogaier-Steppe, kann hier, wo es sich im wesentlichen nur um Feststellung der orographischen Beziehungen handelt, außer Betracht bleiben, da solche zum Tschetschenengebiet nicht vorhanden sind. Auch mit dem übrigen Gebirge steht sie nicht in Zusammenhang; kein Bergwasser durchrauscht sie; Kuma und Terek bilden nur die Grenzen der öden, teilweise wüstenhaften Steppen.