L. G. Castillo - Vor Dem Fall стр 8.

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Er schloss einen Moment lang die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Dann erinnerte er sich daran, dass Baka erwähnt hatte, dass er dem Befehl von Rebeccas Vater unterstand. Ihr Vater war der Gouverneur. Er öffnete die Augen und warf ihr einen Blick zu. Eine Träne rann ihr über die Wange und sie biss sich auf die Unterlippe, um mutiger zu erscheinen. Wie konnten zwei Menschen so verschieden sein?

»Ich verstehe«, sagte Raphael. »Vielleicht können die Leute an einen anderen Ort gebracht werden. Irgendwo fernab der Augen von Reisenden und von den Bürgern der Stadt Ai.«

»Ich kenne einen Ort.«

Beim Klang von Rebeccas sanfter Stimme setzte Raphaels Herz einen Schlag aus. Er wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Halse stecken, als sich ihr schönes Gesicht vor ihn schob.

»Vergib mir, mein Herr. Mein Name ist Rebecca. Ich bin die Tochter von Dathan und Sarah von Ai.«

»Rebecca«, flüsterte Raphael, unfähig irgendetwas anderes zu sagen. Sie war ihm so nahe. Er bemerkte die leichte Röte, die ihre makellose Haut überzog, als sie sprach.

»Hinter dem Hügel dort drüben.« Rebecca deutete in die Richtung, die den Stadttoren entgegengesetzt lag. »Dort gibt es einen Bach, der durch das Tal fließt. Ein paar Meilen stromabwärts gibt es eine offene Fläche, die hinter Felsen verborgen liegt. Das ist nicht einmal in der Nähe der Straße, die nach Ai führt.«

Raphael war bezaubert von der Art, wie sich ihre Lippen bewegten, als sie sprach. Ihm fiel gar nicht auf, dass sie nichts weiter sagte, bis Obadiah sich räusperte.

Er riss seine Augen von ihr los und sah zurück zu Baka. »Wir haben also eine Lösung. Ihr werdet den Menschen helfen, zu diesem Ort zu ziehen.«

Baka sah auf Rebecca hinunter und einen Moment lang glaubte Raphael, seine Engelsfähigkeit habe aufgehört zu wirken. Bei Rebeccas Anblick verengten sich Bakas Augen kaum merklich. »Auf wessen Befehl hin?«

Raphael schob sich zwischen Baka und Rebecca. Er wusste, dass Baka und die anderen es sich anders überlegen konnten, sobald er fort wäre und dass er nicht in der Lage sein würde, sie aufzuhalten. Er wusste nicht einmal, ob es den Ausgestoßenen erlaubt sein würde, an dem neuen Ort zu bleiben, wenn er und Rebecca erst einmal nachhause zurückgekehrt wären.

Er konnte nur daran denken, wie Rebeccas Blick von einer Hoffnung erfüllt war, die ihr Gesicht leuchten ließ und ihm den Atem raubte. Und daran, dass er es gewesen war, der diesen Gesichtsausdruck bei ihr hervorgerufen hatte.

Er verbannte den Gedanken daran, dass Rebeccas Vater sie eines Tages mit Baka verheiraten würde, aus seinem Kopf. Heute konnte er die Dinge zum Guten wenden selbst, wenn es nur für eine kurze Zeit währte.

»Auf meinen Befehl hin. Denn ich bin der Erzengel Raphael.«

5

Raphael saß unter dem Kirschbaum und starrte auf die Brücke jenseits der Gärten. Unter ihr hindurch floss der kleine Bach, der das Fenster zur Erde bildete. Seitdem die Brücke erbaut worden war, hatte er nie die Notwendigkeit verspürt, sie zu benutzen bis jetzt. Seitdem er und Rachel zurückgekehrt waren, waren im Himmel erst wenige Stunden verstrichen. Er wusste, dass diese Stunden durch den Zeitunterschied mehrere Tage auf der Erde bedeuteten und fragte sich, wie es Rebecca ging.

Bakas Worte verfolgten ihn. Raphael hegte keinen Zweifel daran, dass der Soldat Rebecca zu seiner Frau machen würde. Und wie jeder andere Mann hätte Baka als ihr Ehemann das Recht, mit ihr zu machen, was er wollte. Ihm wurde übel beim Gedanken daran, wie Baka Rebecca berührte und seine ehelichen Rechte über sie ausübte.

Unfähig es noch länger zu ertragen, eilte Raphael zur Brücke und suchte nach ihr. Er wusste nicht, was er tun würde, wenn er sie fand. Was konnte er tun? Vielleicht könnte er vorgeben, ihr Schutzengel zu sein und sie vor Baka warnen. Es waren schon andere Engel zur Erde hinabgestiegen, um Menschen vor dem zu warnen, was auf sie zu kam.

Frustriert schlug Raphael mit der Faust aufs Geländer. Er konnte es nicht tun. Es war den Engeln verboten, sich Menschen zu zeigen, außer sie waren ausdrücklich dazu aufgefordert worden. Und er war ein Erzengel, ein Vorbild, dem alle anderen nacheifern sollten. Ihm sank das Herz, als er fühlte, wie die Verantwortung schwer auf seinen Schultern ruhte.

»Siehst du irgendwas Interessantes?«

Beim Klang der Stimme fuhr Raphael zusammen.

»Luzifer.« Er stieß den Atem aus.

Luzifer legte eine schlanke Hand aufs Geländer und beugte sich darüber. »Ah, ich verstehe«, sagte er und in seinen grauen Augen funkelte es. »Sie ist entzückend.«

»Es ist nicht das, was du denkst, Luzifer.«

Raphael eilte zurück zu den Gärten und hoffte, dass ihm sein Freund folgen würde. Aus irgendeinem Grund wollte er nicht, dass Luzifer von ihr erfuhr. In der Vergangenheit hatte er seine Gedanken unbekümmert mit seinem Freund geteilt. Sie hatten interessante Gespräche über Himmlische Politik geführt: über den freien Willen des Menschen und darüber, ob er tatsächlich existierte oder nicht. Aber in letzter Zeit war Luzifer unruhig geworden. Es schien, als sei es für Luzifer nicht genug, Erzengel zu sein. Er wollte mehr. Damit fühlte Raphael sich nicht wohl.

»Was glaubst du denn, was ich denke?«

Raphael biss die Zähne zusammen. Luzifer war nur scheinbar behutsam, denn er wusste, dass er nicht lügen würde.

»Ich habe nach den Ausgestoßenen gesehen. Sie wurden an einen anderen Ort gebracht. Ich habe mich nur um ihr Wohlergehen gesorgt.«

»Ich könnte schwören, dass du dich um das Wohl von einigen mehr gesorgt hast, als um das von anderen.«

»Sie alle liegen mir Herzen«, erwiderte er und die Worte kamen ihm ein wenig unwirsch über die Lippen. »So, wie es sein sollte.«

»Friede, mein Freund.« Luzifer hielt inne und pflückte im Garten eine weiße Rose. »Dein Mitgefühl für die Menschen ist groß.«

Er schloss die Augen und atmete tief ein. Er verlor sich im Duft der Blüte, bevor er fortfuhr. »So groß, dass du Grenzen überschreiten würdest, um ihnen zu helfen. So, dass du vielleicht sogar deine Kräfte der Gedankenmanipulation nutzen würdest«

Raphael spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.

Luzifers Augen öffnete sich und er lachte. »Also das ist ein Gesichtsausdruck, den ich noch nie an dir gesehen habe.«

»Woher hast du es gewusst?« Seine Stimme war ein kaum hörbares Flüstern.

»Du bist nicht der Einzige, der der Brücke von Zeit zu Zeit einen Besuch abstattet.«

»Hat es sonst irgendwer gesehen?«

»Nur Uriel.« Luzifer warf die Blüte beiseite und setzte sich auf eine Steinbank im Garten. »Keine Sorge. Du musst dich nicht beunruhigen. Dein Geheimnis ist bei mir sicher.«

Raphael ließ sich neben ihn sinken. »Nein. Ich sollte zu Michael gehen und um Vergebung bitten. Ich habe meine Gabe missbraucht und sollte bestraft werden.«

»Aber, aber, Raphael. Du und ich, wir wissen beide, dass wir unsere Kräfte gelegentlich zu anderen Zwecken eingesetzt haben. Außerdem wurdest du ausgeschickt, um den Ausgestoßenen Trost zu spenden.«

»Ja, aber «

»Ich würde sagen, du hast deine Mission ausgeführt. Baka und die anderen Soldaten dazu zu bringen, euch dabei zu helfen, alle Ausgestoßenen an einen neuen Ort zu bringen, der den Menschen von Ai verborgen ist, war genial. Obwohl ich persönlich mir nicht die Mühe gemacht hätte.«

Schuldgefühle stiegen in Raphael auf, als er darüber nachdachte, was er getan hatte. Er hatte Baka zum Sklaven jedes seiner Worte gemacht. Schlimmer noch, es hatte ihm tatsächlich gefallen, die Kontrolle über den bedrohlichen Heerführer zu haben. Baka hatte jedem Befehl gehorcht und ihn an seine Soldaten weitergegeben. Raphael war nicht einmal klar gewesen, was er da tat, bis er den fragenden Blick auf Rachels Gesicht wahrgenommen hatte. Sie hatte nicht danach gefragt, aber er wusste, dass sie sich fragte, weshalb er seine Kräfte hatte einsetzen können, um einzugreifen, wenn sie es nicht durfte. Seit ihrer Rückkehr hatte er sich wie ein Feigling von ihr ferngehalten in der Hoffnung, so ihrem anklagenden Blick auszuweichen. Die einzige Antwort, die er ihr geben konnte, war, dass es aus eigennützigen Gründen geschehen war. Das war genau das, was er jetzt war ein eigennütziger Feigling.

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