âSukiâ, rief der junge Mann namens Shinbe aus. âDu brichst mein Herz.â Er verlieh seinem Ausruf Nachdruck, indem er beide Hände vor die Brust schlug.
Suki runzelte die Stirn: âShinbe... wenn ich dich verletzen könnte, würde dein Gehirn mittlerweile aus deinen Augen tropfen nach all den Schlägen, die du mich gezwungen hast, auszuteilen.â
Shinbe zwinkerte: âDu weiÃt, ich mag die derbe Liebe, mit der du mich verehrst.â
âIch würde dir derbe Liebe hier und jetzt zeigen, aber ich möchte die Neue hier nicht verängstigenâ, gab Suki barsch zurück.
Kyoko mochte sie schon, und ergriff ihre Hand und schüttelte sie fest. Sie lächelte: âHallo, ich bin Kyoko Hogo, aber bitte nur Kyoko.â
Sie wandte sich zu dem Mann, der hinter Suki stand. âEs freut mich sehr, euch beide kennen zu lernen.â Es lag etwas in seinen Augen, das Kyokos Aufmerksamkeit beanspruchte. Sie waren von einer erstaunlich violetten Farbe und sehr atemberaubend. Sein Haar reichte ihm etwas über die Schultern und war sehr dunkel mit blauen Strähnen. Er erinnerte sie irgendwie an einen Sänger von einer dieser Rockbands aus den 80ern.
Suki strahlte von einem Ohr zum anderen. âHe, ich habe von dir gehört. Ja, ich wusste, dass du heute kommen würdest. Ich wollte dich nachher suchen und dich herumführen.â Auf ihrem Gesicht erschien plötzlich ein angespannter Ausdruck und sie drehte den Kopf zur Seite und starrte Shinbe böse an: âIch würde das nicht tun, wenn ich du wäre.â
Kyoko senkte ihren Kopf um zu sehen, was geschah. Und siehe da... die Hand des Mannes war mitten auf dem Weg zu Sukis Hinterteil stehen geblieben und er grinste mit einem verträumten Blick.
Shinbe seufzte und lieà seine Hand fallen. âEines Tages werde ich herausfinden, wie du das weiÃt, selbst wenn du nicht hinsiehst.â
Suki stöhnte nur. âIch weià es einfach, das genügt!â Und mit einem freundlichen Lächeln zu Kyoko sagte sie: âKomm mit mir und ich ziehe mich schnell um.â Sie nahm Kyoko an der Hand und zog sie weg von der Tür.
Kyoko blickte noch einmal zurück zu Shinbe und sah ihn winken. 'Mit diesen beiden werde ich viel Spaà haben', dachte sie innerlich, als sie in die Frauenumkleidekabine gezogen wurde.
Suki wusste schon, dass sie Kyoko mochte, und irgendwie hatte sie das Gefühl, als würde sie sie schon kennen, ohne sie je getroffen zu haben. âKyoko, erzähl mir ein wenig von dir, während ich mich umzieheâ, sagte sie und verschwand hinter der Trennwand.
Kyoko setzte sich auf eine Bank und fühlte sich völlig ungezwungen neben Suki. âNun, ich komme aus einem kleinen Dorf am anderen Ende der Stadt. Und aus irgendeinem Grund, völlig unerwartet, erhielt ich einen Brief, in dem stand, dass ich hier ein Stipendium bekam.â Kyoko konnte Sukis âJa, das kommt vorâ, hören, also redete sie weiter. âIch weià wirklich nicht, wie ich ein Stipendium bekommen habe, wofür ich mich nicht einmal beworben habe.â
Suki konnte die Frage in der Aussage hören und streckte lächelnd ihren Kopf um die Ecke. âMach dir keine Sorgen darüber. Du bist genauso hierhergekommen, wie ich.â Sie verschwand wieder hinter der Wand als sie noch hinzufügte: âIch habe mich hier auch nie beworben.â
Kyoko runzelte die Stirn: âAber wieso? Es muss einen Grund geben. Kennst du ihn?â
Suki kam wieder zurück, nun ganz umgezogen. Sie setzte sich hin um ihre Turnschuhe anzuziehen. âJa, ich habe es herausgefunden. Nun, einen Teil davon zumindest. Der Mann, der diese Uni besitzt, sucht Menschen mit...â, Suki zögerte und legte ihren Kopf etwas zur Seite, â...einzigartigen Fähigkeiten.â Sie zuckte die Schultern und fügte hinzu: âDu wirst dich an einiges gewöhnen müssen, wenn du beginnst, die anderen, die hier leben, kennen zu lernen.â Sie grinste in dem Wissen, dass sie recht hatte.
Plötzlich stand Suki auf, warf einen Schuh gegen die Tür der Umkleidekabine und feixte triumphierend als sie das leise Fluchen von der anderen Seite hörte. Sie holte ihren Schuh wieder und setzte sich wieder, um ihn anzuziehen. âAlso, welche einzigartige Fähigkeit hast du?â
Kyokos Atem schien auszusetzen, als ihre Gedanken zu rasen begannen. Es war absolut unmöglich, dass jemand hier wissen konnte, dass sie eine Priesterin war. Sie sah Suki entschuldigend an und schaute schnell wieder weg, als sie antwortete: âKeine, von der ich wüsste.â
Suki hob eine Augenbraue aber zuckte die Schultern in dem Wissen, dass sie es früher oder später herausfinden würde. âKomm, lass uns gehen. Shinbe wird wahrscheinlich schon auf uns warten.â Sie öffnete die Tür und tatsächlich, Shinbe stand nah genug an der Tür, dass er sie belauschen hatte können. Er lächelte sie unschuldig an, während er ein paar Schritte rückwärts machte.
Suki schloss die Tür hinter sich und zeigte auf das Türschild. âShinbe, kannst du nicht lesen? Hier steht Umkleideraum Frauen.â Sie schenkte ihm einen vielsagenden Blick.
Shinbe zuckte die Schultern: âJa, daher stand ich auch davor.â Er sprang schnell auÃer Reichweite, als sie mit der Hand nach ihm schlug. âSuki... Ich bin ein Mann... Ich brauche Zuneigung. Wie könnte ich diese besser bekommen, als dadurch, dass ich lerne, wie der weibliche Geist arbeitet?â
âDu kannst deine Nachforschungen in der Bibliothek betreibenâ, meinte Suki mit zusammengebissenen Zähnen.
Shinbe grinste. âMeine liebste Suki, jedes Buch über den weiblichen Geist in der Bibliothek ist... leer.â
Suki lächelte zurück: âDas kommt daher, dass alle diese Bücher in der Bibliothek von Männern geschrieben wurden.â
Mit einer hochgezogenen Augenbraue lehnte sich Shinbe zu ihr hin: âGenau. Ich habe vor, der erste zu sein, der eines schreibt, das für die von uns, die Testosteron besitzen, verständlich ist.â
Suki warf Kyoko einen resignierenden Blick zu und sah dann auf ihre Uhr. âHe, bist du hungrig? Lass uns erst in die Mensa gehen und essen.â
Kyoko nickte. Sie war am Morgen zu nervös gewesen, um zu essen, aber mit ihnen fühlte sie sich richtig entspannt und nun war sie am Verhungern.
Shinbe bedeutete ihnen mit einer Handbewegung vor zu gehen: âLadies first.â Er schrie auf, als Suki ihm nun doch einen Klaps auf den Kopf gab.
âDiesmal war ich nicht zu langsam, nicht wahr... nun, geh vor.â Suki schenkte ihm einen beschuldigenden Blick. Als Shinbe sicher vor ihnen her ging, flüsterte sie Kyoko mit einem wissenden Grinsen ins Ohr: âVergiss nicht, ihn immer vor dir zu halten, es sei denn, du willst begrapscht werden.â
Kyoko konnte nicht verhindern, dass sie in lautes Lachen ausbrach und sie konnte sich nicht mehr einkriegen, bis sie in die Mensa kamen, die für sie mehr wie ein edler Speisesaal aussah. Ihre Augen wurden groà und sie blieb dichter bei Suki. âWeiÃt du, jedes Mal, wenn ich mich hier umdrehe, habe ich das Gefühl, am falschen Ort zu sein.â
Shinbe führte sie zu einem Tisch weit hinten im Raum. Suki und Kyoko setzten sich auf eine Bank. Während Shinbe sich gegenüber setzte und aussah, als wäre er der unschuldigste Mann der Welt. âWeiÃt du, es gibt vieles, woran du dich hier gewöhnen musstâ, lächelte er Kyoko zu und seine violetten Augen leuchteten auf. âIch bin schon seit einem Jahr hier, und kenne mich immer noch nicht aus.â