Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann musste selber mit Hand anlegen[70], dass es noch so leidlich ging. Als sie die schmale Kost gegessen hatten, legten sie sich zu Bett, aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht genug, und zehrten ihren Vorrat auf[71]. Da sprach der Mann: Frau, so gehts nicht länger, dass wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten. Er ging aus, schnitt Weiden, und brachte sie heim, da fing sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. Ich sehe, das geht nicht, sprach der Mann, spinn lieber, vielleicht kannst du das besser. Sie setzte sich hin und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, dass das Blut daran herunter lief. Siehst du, sprach der Mann, du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekommen[72]. Nun will ichs versuchen, und einen Handel mit Töpfen und irdenem Geschirr anfangen, du sollst dich auf den Markt setzen und die Ware feil halten[73]. Ach, dachte sie, wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich kommen, und sehen mich da sitzen und feil halten, wie werden sie mich verspotten!
Aber es half nichts, sie musste hin, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Das erste Mal gings gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie so schön war, gern ihre Ware ab, und bezahlten, was sie forderte, ja viele gaben ihr das Geld, und ließen ihr die Topfe noch dazu. Nun lebten sie von dem erworbenen so lang es dauerte, da handelte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein, und sie setzte sich an eine Ecke des Markts, und stellte es um sich her und hielt feil. Da kam plötzlich ein trunkener Husar daher gejagt, und ritt gerade zu in die Töpfe hinein, dass alles in tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen, und wusste nicht vor Angst, was sie anfangen sollte. Ach wie wird mirs ergehen![74], rief sie, was wird mein Mann dazu sagen! Sie lief heim, und erzählte ihm das Unglück. Wer setzt sich auch an die Ecke des Markts mit irdenem Geschirr!, sprach der Mann, lass nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Königs Schloss gewesen, und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen, dafür bekommst du freies Essen.
Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, musste dem Koch zur Hand gehen[75] und die sauerste Arbeit[76] tun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Topfchen fest, darin trug sie, was sie von dem übrig gebliebenen erhielt, nach Haus, und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, dass die Hochzeit des ältesten Königssohns sollte gefeiert werden, da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saaltüre und sah zu. Als nun die Lichter angezündet wurden, und immer einer schöner als der andere herein trat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen[77] an ihr Schicksal, und verwünschte ihren Hochmut und Übermut, der sie in diese Armut gestürzt hatten. Von den köstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das tat sie in ihre Topfchen und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn in goldenen Kleidern daher, und als er die schöne Frau in der Türe stehen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht und erschrak, denn sie sah, dass es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte.
Als sie sich sträubte, zog er sie herein, da ging das Band auf, welches die Taschen hielt, und die Töpfe fielen heraus, dass die Suppe floss, und die Brocken umher sprangen. Und wie das die Leute sahen, entstand ein allgemeines Gelächter und Spotten, und sie war so beschämt, dass sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte[78]. Sie sprang zur Türe und wollte entfliehen, aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein und brachte sie zurück, und wie sie ihn ansah, war es der König Drosselbart selbst, der sprach: Fürchte dich nicht, ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt hat, sind eins. Dir zur Liebe[79] habe ich mich so verstellt, und der Husar, der dir die Töpfe entzwei geritten hat, bin ich auch gewesen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen, und dich für deinen Hochmut, womit du mich verspottet hast, zu strafen. Nun aber ists vorüber und jetzt soll unser Hochzeitfest sein. Da kamen die Kammerfrauen, und taten ihr die prächtigsten Kleider an, und ihr Vater kam und der ganze Hof, und wünschten ihr Glück zu ihrer Vermählung mit dem König Drosselbart, und die rechte Freude fing jetzt erst an. Ich wollte, du und ich, wir wären auch dabei gewesen.
Hänsel und Gretel
Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen zwei Kindern. Das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen Gretel. Er hatte wenig zu beißen und zu brechen[80], und einmal, als große Teuerung ins Land kam, konnte er das tägliche Brot nicht mehr schaffen. Wie er sich nun abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: Was soll aus uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren da wir für uns selbst nichts mehr haben? Weißt du was, Mann, antwortete die Frau, wir wollen morgen in aller Frühe die Kinder hinaus in den Wald führen, wo er am dicksten ist. Da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden den Weg nicht wieder nach Haus, und wir sind sie los. Nein, Frau, sagte der Mann, das tue ich nicht; wie sollt ichs übers Herz bringen[81], meine Kinder im Walde allein zu lassen! Die wilden Tiere würden bald kommen und sie zerreissen. Oh, du Narr, sagte sie, dann müssen wir alle viere Hungers sterben, du kannst nur die Bretter für die Särge hobeln, und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. Aber die armen Kinder dauern mich doch, sagte der Mann.
Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können und hatten gehört, was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Gretel weinte bittere Tränen und sprach zu Hänsel: Nun ists um uns geschehen[82]. Still, Gretel, sprach Hänsel, gräme dich nicht, ich will uns schon helfen. Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Untertüre auf und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz hell, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich und steckte so viele in sein Rocktäschlein, als nur hinein wollten. Dann ging er wieder zurück, sprach zu Gretel: Sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen, und legte sich wieder in sein Bett.
Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau und weckte die beiden Kinder: Steht auf, ihr Faulenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen. Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot und sprach: Da habt ihr etwas für den Mittag, aber essts nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts. Gretel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Danach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gingen, stand Hänsel still und guckte nach dem Haus zurück und tat das wieder und immer wieder. Der Vater sprach: Hänsel, was guckst du da und bleibst zurück, hab acht und vergiss deine Beine nicht! Ach, Vater, sagte Hänsel, ich sehe nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen. Die Frau sprach: Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint. Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen.