Ich trage sie, denn ich bin ein Reicher gewesen, und trage das Haar wie die Weltleute und LXstlinge, denn einer von ihnen bin ich gewesen. "
"Und jetzt, Siddhartha, was bist du jetzt?"
"Ich weiX es nicht, ich weiX es so wenig wie du. Ich bin unterwegs. Ich war ein Reicher, und bin es nicht mehr; und was ich morgen sein werde, weiX ich nicht."
"Du hast deinen Reichtum verloren?"
"Ich habe ihn verloren, oder er mich. Er ist mir abhanden gekommen. Schnell dreht sich das Rad der Gestaltungen, Govinda. Wo ist der Brahmane Siddhartha? Wo ist der Samana Siddhartha? Wo ist der Reiche Siddhartha? Schnell wechselt das VergXngliche, Govinda, du weiXt es.
Govinda blickte den Freund seiner Jugend lange an, Zweifel im Auge. Darauf grXte er ihn, wie man Vornehme grXt, und ging seines Weges.
Mit lXchelndem Gesicht schaute Siddhartha ihm nach, er liebte ihn noch immer, diesen Treuen, diesen Xngstlichen. Und wie hXtte er, in diesem Augenblick, in dieser herrlichen Stunde nach seinem wunderbaren Schlafe, durchdrungen von Om, irgend jemand und irgend etwas nicht lieben sollen! Eben darin bestand die Verzauberung, welche im Schlafe und durch das Om in ihm geschehen war, dass er alles liebte, dass er voll froher Liebe war zu allem, was er sah. Und eben daran, so schien es ihm jetzt, war er vorher so sehr krank gewesen, dass er nichts und niemand hatte lieben kXnnen.
Mit lXchelndem Gesichte schaute Siddhartha dem hinweggehenden MXnche nach. Der Schlaf hatte ihn sehr gestXrkt, sehr aber quXlte ihn der Hunger, denn er hatte nun zwei Tage nichts gegessen, und lange war die Zeit vorXber, da er hart gegen den Hunger gewesen war. Mit Kummer, und doch auch mit Lachen, gedachte er jener Zeit. Damals, so erinnerte er sich, hatte er sich vor Kamala dreier Dinge gerXhmt, hatte drei edle und unXberwindliche KXnste gekonnt: Fasten X Warten X Denken. Dies war sein Besitz gewesen, seine Macht und Kraft, sein fester Stab, in den fleiXigen, mXhseligen Jahren seiner Jugend hatte er diese drei KXnste gelernt, nichts anderes. Und nun hatten sie ihn verlassen, keine von ihnen war mehr sein, nicht Fasten, nicht Warten, nicht Denken. Um das Elendeste hatte er sie hingegeben, um das VergXnglichste, um SinnenIust, um Wohlleben, um Reichtum! Seltsam war es ihm in der Tat ergangen. Und jetzt, so schien es, jetzt war er wirklich ein Kindermensch geworden.
Siddhartha dachte Xber seine Lage nach. Schwer fiel ihm das Denken, er hatte im Grunde keine Lust dazu, doch zwang er sich.
Nun, dachte er, da alle diese vergXnglichsten Dinge mir wieder entglitten sind, nun stehe ich wieder unter der Sonne, wie ich einst als kleines Kind gestanden bin, nichts ist mein, nichts kann ich, nichts vermag ich, nichts habe ich gelernt. Wie ist dies wunderlich! Jetzt, wo ich nicht mehr jung bin, wo meine Haare schon halb grau sind, wo die KrXfte nachlassen, jetzt fange ich wieder von vorn und beim Kinde an! Wieder musste er lXcheln. Ja, seltsam war sein Geschick! Es ging abwXrts mit ihm, und nun stand er wieder leer und nackt und dumm in der Welt. Aber Kummer darXber konnte er nicht empfinden, nein, er fXhlte sogar groXen Anreiz zum Lachen, zum Lachen Xber sich, zum Lachen Xber diese seltsame, tXrichte Welt.
"AbwXrts geht es mit dir!" sagte er zu sich selber, und lachte dazu, und wie er es sagte, fiel sein Blick auf den Fluss, und auch den Fluss sah er abwXrts gehen, immer abwXrts wandern, und dabei singen und frXhlich sein. Das gefiel ihm wohl, freundlich lXchelte er dem Flusse zu. War dies nicht der Fluss, in welchem er sich hatte ertrXnken wollen, einst, vor hundert Jahren, oder hatte er das getrXumt?
Wunderlich in der Tat war mein Leben, so dachte er, wunderliche Umwege hat es genommen. Als Knabe habe ich nur mit GXttern und Opfern zu tun gehabt. Als JXngling habe ich nur mit Askese, mit Denken und Versenkung zu tun gehabt, war auf der Suche nach Brahman, verehrte das Ewige im Atman. Als junger Mann aber zog ich den BXern nach, lebte im Walde, litt Hitze und Frost, lernte hungern, lehrte meinen Leib absterben. Wunderbar kam mir alsdann in der Lehre des groXen Buddha Erkenntnis entgegen, ich fXhlte Wissen um die Einheit der Welt in mir kreisen wie mein eigenes Blut. Aber auch von Buddha und von dem groXen Wissen musste ich wieder fort. Ich ging und lernte bei Kamala die Liebeslust, lernte bei Kamaswami den Handel, hXufte Geld, vertat Geld, lernte meinen Magen lieben, lernte meinen Sinnen schmeicheln. Viele Jahre musste ich damit hinbringen, den Geist zu verlieren, das Denken wieder zu verlernen, die Einheit zu vergessen. Ist es nicht so, als sei ich langsam und auf groXen Umwegen aus einem Mann ein Kind geworden, aus einem Denker ein Kindermensch? Und doch ist dieser Weg sehr gut gewesen, und doch ist der Vogel in meiner Brust nicht gestorben. Aber welch ein Weg war das! Ich habe durch so viel Dummheit, durch so viel Laster, durch so viel Irrtum, durch so viel Ekel und EnttXuschung und Jammer hindurchgehen mXssen, bloX um wieder ein Kind zu werden und neu anfangen zu kXnnen. Aber es war richtig so, mein Herz sagt Ja dazu, meine Augen lachen dazu. Ich habe Verzweiflung erleben mXssen, ich habe hinabsinken mXssen bis zum tXrichtesten aller Gedanken, zum Gedanken des Selbstmordes, um Gnade erleben zu kXnnen, um wieder Om zu vernehmen, um wieder richtig schlafen und richtig erwachen zu kXnnen. Ich habe ein Tor werden mXssen, um Atman wieder in mir zu finden. Ich habe sXndigen mXssen, um wieder leben zu kXnnen. Wohin noch mag mein Weg mich fXhren? NXrrisch ist er, dieser Weg, er geht in Schleifen, er geht vielleicht im Kreise. Mag er gehen, wie er will, ich will ihn gehen.
Wunderbar fXhlte er in seiner Brust die Freude wallen.
Woher denn, fragte er sein Herz, woher hast du diese FrXhlichkeit? Kommt sie wohl aus diesem langen, guten Schlafe her, der mir so sehr wohlgetan hat? Oder von dem Worte Om, das ich aussprach? Oder davon, dass ich entronnen bin, dass meine Flucht vollzogen ist, dass ich endlich wieder frei bin und wie ein Kind unter dem Himmel stehe? O wie gut ist dies Geflohensein, dies Freigewordensein! Wie rein und schXn ist hier die Luft, wie gut zu atmen! Dort, von wo ich entlief, dort roch alles nach Salbe, nach GewXrzen, nach Wein, nach Xberfluss, nach TrXgheit.