Фридрих Дюрренматт - Justiz стр 9.

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Isaak Kohler geisteskrank oder ein amoralisches Monstrum, ein Mörder aus reiner Freude am Töten. Den ersten Standpunkt nahm der Offizialverteidiger Lüthi ein, den zweiten der Staatsanwalt Jämmerlin, gegen die erste Ansicht sprach der Augenschein, Kohler machte einen durchaus normalen Eindruck, gegen die zweite dessen gloriose Vergangenheit, ein Politiker und Wirtschaftsführer war schon an sich sittlich erhaben. Überdies wurden ihm seit jeher soziale (nicht sozialistische) Tendenzen nachgerühmt. Aber es war Jämmerlins ehrgeizigster Prozeß. Der Haß, die Schmach, die Witze, die man über ihn riß, beflügelten den alten Juristen, seinem unwiderstehlichen Schwung waren die Oberrichter nicht gewachsen, der farblose Lüthi blieb wirkungslos. Jämmerlins These vom Unmenschen Kohler drang zur allgemeinen Verblüffung durch. Die fünf Oberrichter glaubten ein Exempel statuieren zu müssen, selbst Jegerlehner gab nach. Wieder einmal tat man alles, um die Fassade der Moral zu retten. Das Volk, hieß es in der Urteilsbegründung, müsse von den finanziell und gesellschaftlich bessergestellten Kreisen einen sittlich einwandfreien Lebenswandel nicht nur fordern dürfen, sondern auch vorgelebt sehen können. Der Kantonsrat wurde zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt. Nicht ganz lebenslänglich, nur praktisch lebenslänglich.

Das Verhalten Kohlers: Jedem fiel die Würde des überführten Mörders auf. Er betrat den Gerichtssaal völlig ausgeruht, hatte er doch die Untersuchungshaft der Hauptsache nach in einer psychiatrischen Klinik am Bodensee verbracht, zwar unter losen polizeilichen Vorschriften, aber betreut von dem mit ihm eng befreundeten Professor Habersack. Bewegung war erlaubt, der Caddie beim Golf war der Dorfpolizist. Endlich vor Obergericht, wies Kohler jede Begünstigung von sich, verlangte» wie ein Mann aus dem Volke behandelt zu werden«. Bezeichnend gleich der Beginn der Verhandlung. Der Dr.h.c. war erkrankt, Grippe, das Thermometer kletterte auf 39 Grad, er wies jede Verschiebung ab, weigerte sich, im Gerichtssaal in einem Krankenstuhl Platz zu nehmen. Den fünf Oberrichtern erklärte er (Protokoll):»Ich stehe hier, damit ihr nach eurem Gewissen und nach dem Gesetz Recht über mich sprecht. Ihr wißt, wessen man mich beschuldigt. Gut. Nun ist es an euch zu richten und an mir, mich eurem Urteilsspruch zu unterwerfen. Ich werde ihn als gerecht anerkennen, wie er auch ausfalle. «Nach dem Urteilsspruch dankte er bewegt, hob besonders die Menschlichkeit hervor, mit der er behandelt worden sei, dankte auch Jämmerlin. Man hörte sich den Erguß eigentlich mehr belustigt als gerührt an, allgemein herrschte der Eindruck, mit Dr. Isaak Kohler habe die Justiz ein ausgefallenes Exemplar eingefangen, und als er abgeführt wurde, schien der Vorhang über eine zwar nicht ganz erhellte, aber doch eindeutige Affäre endgültig zu fallen.

Über mich, damals und heute: Dies in allgemeinen Zügen die Vorgeschichte, enttäuschend, ich weiß, ein Ereignis, das der Tag liefert, merkwürdig bloß für die Beteiligten und für die näher Informierten, ein Grund zum Klatsch, zu mehr oder weniger faulen Witzen und zu einigen moralischen Betrachtungen über die Krise des Abendlandes und der Demokratie, ein Kriminalfall, von den Gerichtsreportern pflichtbewußt berichtet und vom Chefredaktor unseres weltberühmten Lokalblatts (ein Freund Kohlers) mit landesüblicher Würde kommentiert, ein Gesprächsstoff für wenige Tage, kaum daß er wesentlich über die Grenzen unserer Stadt zu dringen vermochte, ein Provinzskandal, der mit Recht bald vergessen worden wäre, wenn sich nicht hinter ihm ein Plan verborgen hätte. Daß ich in diesem Plan eine entscheidende Rolle spielen sollte, ist mein persönliches Pech, wenn ich auch zugebe, von Anfang an Böses geahnt zu haben. Doch muß ich hier etwas über meine Verhältnisse nach dem Prozeß gegen Kohler einfügen. Sie waren schon damals nicht mehr ganz erfreulich. Ich hatte nun doch versucht, mich selbständig zu machen und in der Spiegelgasse über dem Vereinssälchen der Heiligen vom Uetli, einer frommen Sekte, ein Büro bezogen, einen gegen die drei Fenster hin abgeschrägten Raum mit einigen vor einem Möbel-Pfister-Schreibtisch gruppierten Sesseln, mit > Beobachter

Select< herum, spielte Schach (mit Lesser, wobei wir beharrlich spanisch eröffneten, so daß im großen und ganzen stets die gleiche Partie im Patt endete), nahm in den Lokalen der Frauenvereine eine phantasielose, doch nicht ungesunde Kost zu mir.

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