Es ist nicht das erstemal, daß er Euch seine gerechte Zufriedenheit bezeigt.
Regentin . Aber das erstemal, daß es rednerische Figur ist.
Machiavell . Ich versteh Euch nicht.
Regentin . Ihr werdet. — Denn er meint, nach diesem Eingange: ohne Mannschaft, ohne eine kleine Armee werde ich immer hier eine üble Figur spielen! Wir hätten, sagt er, unrecht getan, auf die Klagen der Einwohner unsre Soldaten aus den Provinzen zu ziehen. Eine Besatzung, meint er, die dem Bürger auf dem Nacken lastet, verbiete ihm durch ihre Schwere, große Sprünge zu machen.
Machiavell . Es würde die Gemüter äußerst aufbringen.
Regentin . Der König meint aber, hörst du? — Er meint, daß ein tüchtiger General, so einer, der gar keine Räson annimmt, gar bald mit Volk und Adel, Bürgern und Bauern fertig werden könne; — und schickt deswegen mit einem starken Heere — den Herzog von Alba.
Machiavell . Alba?
Regentin . Du wunderst dich?
Machiavell . Ihr sagt: er schickt. Er fragt wohl, ob er schicken soll?
Regentin . Der König fragt nicht; er schickt.
Machiavell . So werdet Ihr einen erfahrnen Krieger in Euren Diensten haben.
Regentin . In meinen Diensten? Rede grad heraus, Machiavell.
Machiavell . Ich möcht' Euch nicht vorgreifen.
Regentin . Und ich möchte mich verstellen! Es ist mir empfindlich, sehr empfindlich. Ich wollte lieber, mein Bruder sagte, wie er's denkt, als daß er förmliche Episteln unterschreibt, die ein Staatssekretär aufsetzt.
Machiavell . Sollte man nicht einsehen? —
Regentin . Und ich kenne sie inwendig und auswendig. Sie möchten's gern gesäubert und gekehrt haben; und weil sie selbst nicht zugreifen, so findet ein jeder Vertrauen, der mit dem Besen in der Hand kommt. O mir ist's, als wenn ich den König und sein Konseil auf dieser Tapete gewirkt sähe.
Machiavell . So lebhaft?
Regentin . Es fehlt kein Zug. Es sind gute Menschen drunter. Der ehrliche Rodrich, der so erfahren und mäßig ist, nicht zu hoch will, und doch nichts fallen läßt, der gerade Alonzo, der fleißige Freneda, der feste Las Vargas, und noch einige, die mitgehen, wenn die gute Partei mächtig wird. Da sitzt aber der hohläugige Toledaner mit der ehrnen Stirne und dem tiefen Feuerblick, murmelt zwischen den Zähnen von Weibergüte, unzeitigem Nachgeben und daß Frauen wohl von zugerittenen Pferden sich tragen lassen, selbst aber schlechte Stallmeister sind, und solche Späße, die ich ehemals von den politischen Herren habe mit durchhören müssen.
Machiavell . Ihr habt zu dem Gemälde einen guten Farbentopf gewählt.
Regentin . Gesteht nur, Machiavell: In meiner ganzen Schattierung, aus der ich allenfalls malen könnte, ist kein Ton so gelbbraun-gallenschwarz wie Albas Gesichtsfarbe und als die Farbe, aus derermalt. Jeder ist bei ihm gleich ein Gotteslästerer, ein Majestätsschänder: denn aus diesem Kapitel kann man sie alle sogleich rädern, pfählen, vierteilen und verbrennen. — Das Gute, was ich hier getan habe, sieht gewiß in der Ferne wie nichts aus, eben weil's gut ist. — Da hängt er sich an jeden Mutwillen, der vorbei ist, erinnert an jede Unruhe, die gestillt ist; und es wird dem Könige vor den Augen so voll Meuterei, Aufruhr und Tollkühnheit, daß er sich vorstellt, sie fräßen sich hier einander auf, wenn eine flüchtig vorübergehende Ungezogenheit eines rohen Volks bei uns lange vergessen ist. Da faßt er einen recht herzlichen Haß auf die armen Leute; sie kommen ihm abscheulich, ja wie Tiere und Ungeheuer vor; er sieht sich nach Feuer und Schwert um und wähnt, so bändige man Menschen.
Machiavell . Ihr scheint mir zu heftig, Ihr nehmt die Sache zu hoch. Bleibt Ihr nicht Regentin?
Regentin . Das kenn ich. Er wird eine Instruktion bringen. — Ich bin in Staatsgeschäften alt genug geworden, um zu wissen, wie man einen verdrängt, ohne ihm seine Bestallung zu nehmen. — Erst wird er eine Instruktion bringen, die wird unbestimmt und schief sein; er wird um sich greifen, denn er hat die Gewalt; und wenn ich mich beklage, wird er eine geheime Instruktion vorschützen; wenn ich sie sehen will, wird er mich herumziehen; wenn ich drauf bestehe, wird er mir ein Papier zeigen, das ganz was anders enthält; und wenn ich mich da nicht beruhige, gar nicht mehr tun, als wenn ich redete. — Indes wird er, was ich fürchte, getan, und was ich wünsche, weit abwärts gelenkt haben.
Machiavell . Ich wollt', ich könnt' Euch widersprechen.
Regentin . Was ich mit unsäglicher Geduld beruhigte, wird er durch Härte und Grausamkeiten wieder aufhetzen; ich werde vor meinen Augen mein Werk verloren sehen und überdies noch seine Schuld zu tragen haben.
Machiavell . Erwarten's Eure Hoheit.
Regentin . So viel Gewalt hab ich über mich, um stille zu sein. Laß ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh' er mich verdrängt.
Machiavell . So rasch diesen wichtigen Schritt?
Regentin . Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist, wer's hergebracht hat, daß jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand liegt, steigt vom Throne wie ins Grab. Aber besser so, als einem Gespenste gleich unter den Lebenden bleiben und mit hohlem Ansehn einen Platz behaupten wollen, den ihm ein anderer abgeerbt hat und nun besitzt und genießt.
Klärchens Wohnung
Klärchen. Mutter.
Mutter . So eine Liebe wie Brackenburgs hab ich nie gesehen; ich glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten.
Klärchen(geht in der Stube auf und ab, ein Lied zwischen den Lippen summend).
Glücklich allein
Ist die Seele, die liebt.
Mutter . Er vermutet deinen Umgang mit Egmont; und ich glaube, wenn du ihm ein wenig freundlich tätest, wenn du wolltest, er heiratete dich noch.
Klärchen(singt).
Freudvoll
Und leidvoll,
Gedankenvoll sein,
Langen
Und bangen
In schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrübt -
Glücklich allein
Ist die Seele, die liebt.
Mutter . Laß das Heiopopeia.
Klärchen . Scheltet mir's nicht; es ist ein kräftig Lied. Hab ich doch schon manchmal ein großes Kind damit schlafen gewiegt.
Mutter . Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. Vergäßest du nur nicht alles über daseine . Den Brackenburg solltest du in Ehren halten, sag ich dir. Er kann dich noch einmal glücklich machen.
Klärchen . Er?
Mutter . O ja! es kommt eine Zeit! — Ihr Kinder seht nichts voraus und überhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schöne Liebe, alles hat sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unterkriechen kann.
Klärchen(schaudert, schweigt und fährt auf).Mutter, laßt die Zeit kommen wie den Tod.