«Hievt! Vorwärts Kerls! Hievt! Und noch einmal!»
Im Takt hoben und senkten sich die Riemen, schlugen und peitschten das Wasser, um die Abtrift zur Küste aufzuhalten. Und dann, qualvoll langsam, kam die Sparrow unter Kontrolle und nahm Fahrt auf.
«Mr. Buckle, übernehmen Sie das Ruder!«schrie Bolitho. Dann wandte er sich an Tyrell:»Alle Offiziere, alle Mann an die Riemen! Alle!»
Als der Anker verkattet war, führte auch Graves seine Abteilung an die Riemen. Andere glitten an den Backstagen aus dem Rigg oder kamen von ihren Stationen gerannt, um den Ruderern zu helfen.
Bolitho versuchte, nicht nach der Landzunge zu sehen, die sich im Morgenlicht jetzt grün und braun färbte.
Die Peilung stand, und die Korvette kam kaum voran. Doch schon schnappten die Männer nach Luft. Nur Buckle und Bolitho selbst halfen nicht an den Riemen. Der Wind war zu stark, die Strömung zu stetig.
Tyrells Stimme klang wie eine Trompete.»Hievt! Hievt! Und noch einmal, Leute!«Aber es war umsonst.
Mit matter Stimme rief Buckle:»Wir werden wieder ankern müssen, Sir. Wir schaffen's nicht.»
Schon verloren einige Seeleute ihren Halt und fielen fast aus der Reihe der Ruderer. Da ertönte plötzlich über dem Quietschen und Platschen der Riemen eine starke, durchdringende Stimme:»Hierher, schnell! Verteilt euch unter die Seeleute!»
Bolitho starrte ungläubig. Foley sprang an Deck und hinter ihm folgten in Zweierreihen einige hinkend, andere mit verbundenen Augen die Reste seiner Kompanie.
Foley blickte zu Bolitho hinauf.»Die Einundfünfziger haben es nie versäumt, die Marine auszustechen, Kapitän!»
Er stützte einen Mann, der hinter ihm hertastete.»Kürzlich haben Sie von Wundern gesprochen. Aber manchmal brauchen auch diese eine kleine Hilfe.»
Er wandte sich ab und packte neben einem Bootsmannsmaat das Ende eines Riemens.
Bolithos Hände umklammerten die Reling. Er versuchte sein Gesicht zu verbergen, aber er konnte seine Augen nicht von den vereinten Anstrengungen der Männer losreißen.
«Ich kann jetzt steuern, Sir«, rief Buckle heiser.»Das Ruder spricht an.»
Leise sagte Bolitho:»Der Oberst hat mir gesagt, er könne mit den richtigen Männern den halben Kontinent erobern. Mit diesen Leuten da könnte er die Welt gewinnen.»
Als er über das Schanzkleid schaute, sah er, daß die Landzunge langsam an der Steuerbordseite vorbeizog, und als Buckle sehr vorsichtig Ruder legte, wies der Klüverbaum allmählich ins freie Fahrwasser hinaus.
Da und
dort fiel ein Mann erschöpft und ausgepumpt von den Riemen, doch der Schlag geriet kaum ins Stocken.
Als sich die Sonnenscheibe schließlich über die fernen Hügel erhob, war die Sparrow draußen in der Bay.
«Toppsgasten aufentern! Klar zum Segelsetzen!»
Der Klüver knatterte und flappte zornig, spannte sich dann zu einem straffen Bogen, und als die langen Riemen durch die Pforten eingeholt wurden, neigte sich das Deck in leichtem, doch befriedigendem Winkel.
«Gehen Sie auf Steuerbordbug, Mr. Buckle. So hoch an den Wind, wie Sie können. Wir brauchen möglichst viel Leeraum, um an Kap May vorbeizuschlüpfen.»
Tyrell kam aufs Achterdeck und stellte sich neben den Kompaß. Seine Augen beobachteten gespannt die Küstenlinie. Er sah sonderbar zufrieden aus.
Er bemerkte, wie Bolitho ihn beobachtete.»Es war ein gutes Gefühl, wieder einmal an Land gewesen zu sein. In England würden Sie das gleiche empfinden.»
Bolitho nickte ernst. Vielleicht war Tyrell doch in Versuchung geraten. Aber er war zurückgekommen, und das allein zählte.
«Sie haben gute Arbeit geleistet, Mr. Tyrell, alle taten, was sie konnten!»
Tyrell grinste träge.»Wenn Sie mir die Freiheit verzeihen wollen, Sir, Sie selbst sind auch kein huflahmer Gaul.»
«Wahrschau an Deck! Segel steuerbord querab!»
Bolitho blickte Buckle an.»Der Franzmann ist schneller hinter uns her, als ich dachte. Lassen Sie bitte die Royals setzen!«Er ging über das schräg geneigte Deck zur Reling und beschattete seine Augen.»Wir werden ihm schon etwas bieten für sein Geld.»
Tyrell grinste immer noch.»Sie meinen wohl für des Generals Geld?»
Bolitho schaute an seinen schmutzigen Hosen hinunter.»Ich gehe jetzt und laß mich rasieren. «Auch in ihm steckte immer noch die fröhliche Stimmung.»Für den Fall, daß wir heute morgen noch Besuch bekommen, eh?»
Buckle sah ihn gehen.»Den kann aber auch nichts aus der Ruhe bringen!»
Tyrell spähte mit kritischem Blick zu den Toppsgasten hinauf. Er erinnerte sich an Bolithos Gesicht, als die verwundeten Soldaten an Deck getaumelt waren, um den Seeleuten an den Riemen zu helfen. In diesen wenigen Minuten hatte er hinter die zerbrechliche Gelassenheit geblickt und hinter der äußeren Hülle des Kommandanten den wirklichen Menschen entdeckt. Er murmelte vor sich hin:»Sie sollten dessen nicht so sicher sein, Mr. Buckle. Er fühlt alles genauso wie jeder Mann an Bord.»
Bolitho schob das Teleskop zusammen und lehnte sich gegen ein Belegnagelbrett.
«Ändern Sie Kurs um zwei Strich, Mr. Buckle. Steuern Sie genau Ost.»
Vom Sichten der Fregatte bis zu dem Augenblick, da sie Kap May gefährlich nahe umrundet hatten, waren zwei Stunden vergangen. Der äußerste Sporn dieser elenden Landzunge lag kaum zwei Kabellängen entfernt in Lee, als sie in die freie See hinausbrausten. Sie waren so dicht unter der Küste gesegelt, daß sie den Rauch eines Feuers an Land und das Blitzen eines verborgenen Fensters oder eines Fernglases in der Sonne gesehen hatten.