Jemand im Vortopp der Euryalus schrie hurra, sonst blieb alles still. Matrosen und Seesoldaten beobachteten gespannt, wie die beiden Fregatten in überlappender Position einander näher und näher kamen schon wirbelte wieder Qualm, allen sichtbar, im Winde.
Abermals Mündungsfeuer, diesmal beim Franzosen, aber Masten und Rahen der Auriga blieben intakt. Die Segel des Feindes jedoch waren durchlöchert; sein Focksegel war schon bei der ersten Salve in Fetzen gegangen.
«Eine gute Prise, denke ich«, flüsterte Keverne heiser.»Wir können sowieso noch eine Fregatte gebrauchen.»
Es war schwer zu unterscheiden, was jetzt geschah. Die beiden Schiffe konnten höchstens eine halbe Kabellänge auseinander sein, und mit jeder Minute kamen sie sich näher. Wieder donnerten die Kanonen, dann stürzte der Großmast des Franzosen in wirbelndem Rauch nieder, die zerfetzten Segel und Stage mit sich ins Chaos reißend.
«Sie wird bald die Flagge streichen«, sagte Broughton.
«Der Wind flaut ab, Sir«, sagte Partridge mit gedämpfter Stimme, als fürchte er, die allgemeine Konzentration zu stören.
«Spielt jetzt auch keine Rolle mehr«, erwiderte
Bolitho lächelnd.
Wieder war alles still, und über die letzten drei Meilen hinweg, die zwischen der Zeus und den beiden Fregatten lagen, konnte man sehen, daß das Geschützfeuer aufgehört hatte und die beiden Fregatten
Rumpf an Rumpf lagen. Es war vorbei.
«Na, Bolitho«, fragte Broughton leise,»was sagen Sie jetzt?»
Ein paar Marine-Infanteristen auf dem Vorschiff rissen die Tschakos ab und schrien hurra; ihr Siegesgeschrei wurde von der Mannschaft der direkt voraus liegenden Tanais aufgenommen.
Bolitho stürzte am Admiral vorbei und riß ein Teleskop aus der Hal-terung; da wurde das Hurrageschrei auch schon dünner und erstarb so schnell, wie es begonnen hatte. Er bekam eine Gänsehaut: die Flagge der Auriga flatterte gleich einem wunden Vogel nieder und wurde augenblicklich durch eine andere ersetzt dieselbe, die auch jetzt noch über den zerfetzten Segeln des Gegners wehte: die Trikolore Frankreichs.
«Bei Gott«, keuchte Keverne,»diese Bastarde haben sich den Frogs ergeben! Sie haben nicht mal versucht zu kämpfen!«Die Unglaublichkeit des Vorgangs verschlug ihm fast die Stimme.
Die Auriga war bereits von dem Franzosen klargekommen; neues Treiben herrschte an Deck und in den Rahen, langsam drehte sie vor den Wind und segelte dem hilflos zuschauenden Geschwader davon. Durch sein Glas konnte Bolitho die Marine-Infanteristen in ihren scharlachroten Röcken erkennen, die von den Matrosen entwaffnet wurden und sich vor dem französischen Enterkommando zusammendrängten. Als ob ein Enterkommando überhaupt nötig gewesen wäre, dachte er bitter. Eben noch hatten sie so gut gekämpft, und im nächsten Moment hatte sich die ganze Besatzung ergeben, war zum Feind übergelaufen. Er steckte das Glas wieder in die Halterung, denn vor Wut und Verzweiflung zitterten ihm die Hände so sehr, daß er es beinahe fallen gelassen hätte.
Wieder sah er die Delegierten vor sich, damals in dem kleinen Wirtshaus in der Bucht von Veryan. Diesen Kerl namens Gates. Und John Taylor, gekreuzigt, von der Peitsche zerfetzt, weil er versucht hatte zu helfen.
Leise und gepreßt sagte Partridge:»Keine Chance, daß wir sie jetzt noch einholen. Vor der Morgendämmerung sind sie in Vigo.»
Mit schlaffen Schultern wandte er sich ab.»Daß man so etwas mitansehen muß!»
Broughton starrte immer noch zu den beiden Fregatten hinüber, die bereits Fahrt aufgenommen hatten und mehr Segel setzten.»Sie können der Restless signalisieren, daß sie in Luv auf Station gehen soll. «Es klang ganz unbeteiligt, als spräche ein Fremder.»Dann geben Sie Signal an alle: Ursprünglichen Kurs wieder aufnehmen!«Jetzt erst sah er Bolitho an.»Da haben Sie Ihre Loyalität!«Sein Ton war wie ein Peitschenhieb.
Bolitho schüttelte den Kopf.»Sie haben mir einmal gesagt, man muß über den Kommandanten ebenso Bescheid wissen wie über sein Schiff. Das glaube ich auch, Sir. «Er wandte den Blick zu der fernen Auriga. Unter der fremden Flagge wirkte sie kleiner.»Ebenso wie ich glaube, daß wir noch mehr solche Dinge erleben werden, wenn Männer wie Brice weiterhin unsere Schiffe kommandieren dürfen.»
Broughton wich einen Schritt zurück, als hätte Bolitho etwas schrecklich Unanständiges gesagt.»Kapitän Brice ist vielleicht im Kampfe gefallen«, erwiderte er dann und schritt nach achtern.»Um seinetwillen hoffe ich, daß es so ist. «Damit verschwand er im Schatten unter der Kampanje.
«Nun«, sagte Leutnant Meheux sehr laut,»wir jedenfalls konnten es nicht ve rhindern. Aber wenn meine Batterie so weit tragen würde, dann wollte ich sie immer noch Mores lehren.»
Mehrere Offiziere, die im Moment nichts zu tun hatten, mischten sich in die Diskussion; Allday, der für alle Fälle unter der Kampanje gestanden hatte, betrachtete sie wütend. Er sah, wie Bolitho, den Kopf in tiefem Nachdenken gesenkt, auf und ab schritt. Die anderen alle taten, als wollten sie ihn trösten, ihn und sich selber; aber in Wirklichkeit wollten sie nur die Bestätigung, daß sie nichts dafür konnten, und hatten im übrigen keinen Schimmer davon, wie dem Kommandanten zumute war.