daß er bald befördert und in seinem Kommando bestätigt werden sollte. Bolitho verlor ihn nur ungern, freute sich aber auch, daß er eine so unerwartet Chance bekam.
Die Pferde gingen langsamer und erreichten die höchste Stelle der Straße, so daß Bolitho Meer und Hafen wie eine bunte Landkarte vor sich ausgebreitet sah. Das vor Anker liegende Geschwader, das geschäftige Kommen und Gehen von Captain Rooks Patrouillebooten vermittelten den Eindruck bester Planung und Bereitschaft. Auf hoher See würde es also nicht allzu lange dauern, bis sich die Kommandanten so aufeinander eingestellt hatten, daß die Schiffe im Verband zusammenwirken und gemeinsam nach den Befehlen ihres Admirals manövrieren konnten. Aber wann sie endlich segeln und welchen endgültigen Auftrag sie bekommen würden, das blieb immer noch Geheimnis. Broughton wußte bestimmt eine ganze Menge mehr, als er verlauten ließ, und hatte wiederholt gesagt:»Machen Sie nur meine Schiffe segelfertig, Bolitho. Das andere erledige ich dann schon, sobald ich von London Bescheid habe.»
Broughton war anscheinend davon überzeugt, daß sich alles zu seiner Befriedigung entwickeln würde. An den Schiffen wurde von Sonnenaufgang bis Untergang gearbeitet: Übernahme von Verpflegung und Trinkwasser, von Ersatzteilen, Gerät, und auch ihrem Anteil an menschlicher Ware, die Rooks Preßkommandos brachten. Der Admi-ral war meist in seiner Kajüte oder an Land, wo er mit irgendwelchen städtischen Beamten speiste, die ihm bei der Ausrüstung von Nutzen sein konnten.
Die düstere Spannung, welche die Ankunft der Auriga verursacht hatte, war größtenteils geschwunden, und Bolitho registrierte dankbar, daß Broughton die Affäre so human und nachsichtig behandelte. Was in Spithead passiert war, durfte nie wieder passieren, und er würde nicht nur die Auriga, sondern jedes Schiff des Geschwaders genau im Auge behalten müssen, um dessen völlig sicher zu sein.
Bolitho nahm seinen Degen vom Nebensitz auf. Die Berline rollte über das abgefahrene Kopfsteinpflaster und hielt quietschend vor dem Gasthof am Kai. Die nassen Pferde wandten die Köpfe, warteten ungeduldig auf Futter und Ruhe.
Ein paar Stadtbewohner spazierten auf dem Markt herum, doch Bo-litho fielen sofort die rotröckigen Soldaten auf und eine Atmosphäre allgemeiner Spannung, die noch nicht geherrscht hatte, als er mit Thelwalls Leichnam nach Truro aufgebrochen war. Jetzt kam ihm Rook entgegen, offenbar erleichtert, aber auch besorgt.
«Was ist los?«Bolitho nahm ihn beim Arm und zog ihn in den Schatten des Gasthofes.
Rook blickte sich vorsichtig um.»Die Meuterei in der Nore-Flotte hat sich ausgebreitet: die ganze Flotte ist in der Hand der Meuterer und unter Waffen!«Er senkte die Stimme.»Eine Brigg aus Plymouth hat die Nachricht gebracht. Ihr Admiral ist mächtig wütend.»
Bolitho schritt mit ihm zusammen weiter, äußerlich ruhig, doch seine Gedanken rasten angesichts dieser neuen Entwicklung.
«Wie kommt es, daß wir das erst jetzt erfahren?»
Rook zerrte an seiner Halsbinde, als ersticke sie ihn.»Eine Patrouille fand den Kurier aus London tot in einer Hecke, mit durchschnittener Kehle und leerer Depeschentasche. Jemand hat gewußt, daß er hierher ritt, und dafür gesorgt, daß Admiral Broughton so lange wie möglich nichts erfuhr!«Rook winkte einem Matrosen am Kai:»Rufen Sie ein Boot her, Mann!»
Bolitho trat an die Kante der sonnenwarmen Steinmauer und sah zu den Schiffen hinüber. Das Bild der Euryalus flirrte in der heißen Luft, und sowohl in den Masten als auch an Deck schien lebhafter Betrieb zu herrschen.
War es möglich, daß sich die Lage so schnell änderte? Eben noch schien alles einigermaßen in Ordnung, und auf einmal war eine ganze Flotte in hellem Aufruhr?
Zögernd fuhr Rook fort:»Ich weiß nicht, ob ich mir erlauben darf, es zu sagen; aber ich glaube, Sir Lucius Broughton war schwer erschüttert von dem, was er in Spithead erlebt hat. Wer in Zukunft versucht, sich ihm zu widersetzen, dem geht es ziemlich dreckig.»
Das Boot schrammte am Kai, und Bolitho stieg mit Rook hinein. Rook blieb stehen, bis Bolitho sich im Heck gesetzt hatte, und gab dann dem Bootsführer ein Zeichen, Kurs auf das Flaggschiff zu nehmen.
«Hoffentlich können wir ohne weitere Verzögerung in See gehen«, sagte Bolitho ernst.»Wenn wir erst klar von Land sind, haben wir Zeit zum Nachdenken. «Rook sagte nichts dazu Bolitho hatte auch nur laut gedacht.
Es schien endlos zu dauern, bis sie bei dem Dreidecker längsseit waren; er sah schon aus einiger Entfernung, daß die Enternetze aufge-riggt waren, daß Marine-Infanteristen auf den Decksgängen patrouillierten
und Posten an Kampanje und Vorschiff aufgezogen waren.
Rasch kletterte er an Bord und lüftete seinen Hut zum Trillern der Pfeifen und dem Stampfen der präsentierten Musketen.
Weigall, der Dritte Offizier, meldete nervös:»Der Admiral erwartet Sie, Sir. Tut mir leid, daß Ihre Gig nicht am Kai war, aber alle Bootsfahrten sind gesperrt.»