Sogar Allday konnte diesmal den uberraschenden Einsatzbefehl nicht mit seinem gewohnten Gleichmut akzeptieren. Kaum langer als fur eine Hundewache hatte er den Fu? an Land gesetzt, und nun sollten sie wieder auslaufen. Schon vorher hatte er vor Wut geschaumt uber die himmelschreiende Ungerechtigkeit und Dummheit, die daran schuld war, da? Bolitho nach der Schlacht von Kopenhagen nicht die ihm gebuhrende Anerkennung erhalten hatte: den Adelstitel.
Kopf.
«Einen Toast auf unseren neuen Kommodore«, schlug Bolitho mit einem Blick auf die gefullten Pokale vor. Auch der Erste Offizier war nach achtern gekommen, gefolgt von Master Grubb, der breitbeinig dastand und durstig auf den Pokal herabstarrte, der in seiner Pranke so klein wirkte wie ein Fingerhut.
Herrick rief Allday herbei.»Angesichts der besonderen Unstande mochte ich, da? Sie mit uns trinken.»
Allday wischte sich die Hande an dem rotlich gelben Baumwolltuch seiner schneidigen Nanking-Breeches sauber und murmelte verlegen:»Besten Dank, Sir.»
Bolitho erhob sein Glas.»Ihr Wohl, Thomas. Auf alte Freunde und auf alte Schiffe!»
Herrick lachelte nachdenklich.»Das ist ein guter Trinkspruch,
Sir.»
Allday trank seinen Wein und zog sich in den Schatten der Achterkajute zuruck. Er war Herrick dankbar, da? er ihn miteinbezo-gen hatte, und das vor aller Augen. Sie fuhren auch schon eine kleine Ewigkeit miteinander, hatten andere, nicht so Gluckliche, kommen und gehen gesehen. Nun wurde Bolithos Geschwader bald im Golf von Biskaya stehen. Fremde Schiffe bildeten den Verband, so unbekannt wie die Aufgaben, die den Admiral erwarteten.
Aber warum ausgerechnet die Biskaya? Allday schlupfte durch eine Seitentur aus der Achterkajute und strebte dem Sonnenlicht auf dem Hauptdeck zu. Es gab doch Schiffe und Mannschaften zuhauf, die dort seit Jahren den zermurbenden Blockadedienst versahen, bis der Bewuchs auf den Rumpfen so lang war wie eine Schleppe. Aber wenn Beauchamp den Befehl gab und speziell Bo-litho dafur ausersehen hatte, dann mu?te es sich um eine harte Nu? handeln. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Allday trat in den Sonnenschein hinaus und spahte zur Flagge auf, die am Besanmast auswehte.
«Trotzdem bleibt's dabei: Es mu?te
Achtern sa? Bolitho in der gro?en Tageskajute noch an seinem Schreibpult, wahrend eine Laterne uber seinem Kopf leise im Kreis schwang, im Takt zu den Bewegungen des Schiffes an seiner Ankertrosse.
Fur das Geschwader, fur seine Mannschaft war er ein Name, ein Anfuhrer, dem man blind gehorchte. Manche hatten schon unter ihm gekampft und waren stolz darauf. Andere mu?ten sich erst ein Bild von ihm machen, in den Erfolgen des jungen Konteradmirals einen kleinen Anteil Ruhm und Unsterblichkeit fur sich selbst verkorpert sehen. Und dann gab es die wenigen, die wie der getreue Ozzard — der jetzt in seiner Pantry so wachsam schlief wie eine kleine Maus — Bolithos Stimmungen am fruhen Morgen, nach einem wilden Sturm oder einer wusten Verfolgungsjagd kannten. Zu ihnen gehorte auch Allday, der Bolitho selbstlos ergeben war, obwohl er als Gepre?ter eigentlich Ha? und Demutigung hatte empfinden mussen. Herrick, der uber einem Stapel mit Dienstpapieren eingeschlafen war, hatte Bolitho in Augenblicken hochster Erregung und tiefster Niedergeschlagenheit erlebt. Besser als jeder andere hatte er jetzt den Mann durchschaut, der in straffer Haltung an seinem Pult sa?, die Schreibfeder uber einem Stuck Briefpapier, in Gedanken vollig bei der Frau, die er an Land zurucklassen mu?te.
Mit Bedacht und Sorgfalt begann Bolitho zu schreiben:»Meine geliebte Belinda.»
II Kein Blick zuruck
Richard Bolitho lehnte in seinem Sessel und wartete ungeduldig darauf, da? Allday endlich mit dem Rasieren fertig wurde. Herrick stand au?erhalb seines Gesichtsfelds an der Lamellentur, wahrend uberall unter und uber ihnen Rumpfund Decks der
Herrick berichtete:»Ich habe Kapitan Neale daruber informiert, Sir, da? Sie noch heute vormittag Ihre Flagge auf
Es war wirklich seltsam, wie sich die Schicksalsfaden bei der Navy immer wieder ineinanderwoben. Kapitan John Neale, jetzt Kommandant der mit 32 Kanonen bestuckten Fregatte
Nicator,
Stirnrunzelnd dachte Bolitho an Adam Pascoe; wann wurde er von ihm horen, von seinen Fortschritten, seinem neuen Schiff und seinem Kommandanten erfahren?
Sorgfaltig wischte Allday ihm das Gesicht sauber.»Fertig, Sir.»
Bolitho wusch sich in einer Schussel, die Allday bei den Heckfenstern hingestellt hatte. Zwischen ihnen bedurfte es keiner langen Worte. Allday kannte von vielen Jahren Dienst im Hafen oder auf See Bolithos Gewohnheiten und seine Ungeduld, wenn er die Wand anstarren mu?te, wahrend Allday ihn fur den Tag zurecht-
machte.
Schlie?lich gab es eine Menge zu tun, Befehle an die einzelnen Kommandanten mu?ten ausgefertigt werden, ein Bericht uber den Stand ihrer Einsatzbereitschaft an die Admiralitat sollte abgehen, die unerbittlich wachsenden Werftrechnungen mu?ten gepruft und abgezeichnet, Beforderungen ausgesprochen werden. Es ware unfair, Herrick zu viele unerledigte Arbeiten zu hinterlassen, uberlegte Bolitho.
Herrick fuhr fort:»Unser Postboot hat Ihre Depeschen an Land gebracht, Sir. Es hat gerade wieder an seiner Spiere festgemacht.»