Герман Гессе - Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке стр 4.

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die Laufbahn einschlagen выбирать профессию, становиться кем-л.
sich auf die Lauer legen подкарауливать, подстерегать

ich würde in der Musikschule ein guter Schüler sein. Zu meinem peinlichen Bedauern kam es aber anders. Ich hatte Mühe, dem Unterricht überall zu folgen, fand im Klavierunterricht, den ich jetzt nehmen musste, nur eine große Plage und sah bald mein ganzes Studium wie einen unersteiglichen Berg vor mir liegen. Wohl war ich nicht gesonnen nachzugeben, doch war ich enttäuscht und befangen. Ich sah jetzt, dass ich bei aller Bescheidenheit mich doch für eine Art von Genie gehalten und die Mühen und Schwierigkeiten des Weges zur Kunst bedenklich unterschätzt hatte. Dazu ward mir das Komponieren gründlich verleidet, da ich jetzt bei der geringsten Aufgabe nur Berge von Schwierigkeiten und Regeln sah, meinem Gefühl durchaus misstrauen lernte und nicht mehr wusste, ob überhaupt ein Funke von eigener Kraft in mir sei. So beschied ich mich, wurde klein und traurig, ich tat meine Arbeit wenig anders, als ich die in einem Kontor oder in einer andern Schule getan hätte, fleißig und freudlos. Klagen durfte ich nicht, am wenigsten in meinen Briefen nach Hause, sondern ging den begonnenen Weg in stiller Enttäuschung weiter und nahm mir vor, wenigstens ein ordentlicher Geiger zu werden. Ich übte und übte, steckte Grobheiten und Spott der Lehrer ein , sah manche andere, denen ich es nicht zugetraut hätte, leicht vorwärtskommen und Lob ernten und steckte meine Ziele immer niedriger. Denn auch mit dem Geigen stand und ging es nicht so, dass ich darauf hätte stolz sein können und etwa an ein Virtuosentum denken dürfen. Es sah ganz so aus, als könne aus mir bei gutem Fleiß zur Not ein brauchbarer Handwerker werden, der in irgendeinem kleinen Orchester seine bescheidene Geige ohne Schande und ohne Ehre spielt und dafür sein Brot bekommt.

So war diese Zeit, die ich so sehr ersehnt und von der ich mir alles versprochen hatte, die einzige in meinem Leben, in der ich vom Geist der Musik verlassen freudlose Wege ging und Tage ohne Klang und Takt dahinlebte. Wo ich Genuss, Erhebung, Glanz und Schönheit gesucht hatte, fand ich nur Forderungen, Regeln, Pflichten, Schwierigkeiten und Gefahren. Fiel mir etwas Musikalisches ein, so war es entweder banal und hundertmal dagewesen, oder es stand sichtlich mit allen Gesetzen der Kunst in Widerspruch und konnte also nichts wert sein. Da packte ich alle großen Gedanken und Hoffnungen ein. Ich war einer von den Tausenden, die mit jugendlicher Frechheit zur Kunst gekommen sind und deren Kraft versagt, wenn es Ernst werden soll.

Dieser Zustand dauerte wohl etwa drei Jahre. Ich war nun über zwanzig Jahre alt, hatte offenbar meinen Beruf verfehlt und ging den begonnenen Weg nur aus Scham und Pflichtgefühl weiter. Ich wusste nichts mehr von Musik, nur noch von Fingerübungen, schweren Aufgaben, Widersprüchen in der Harmonielehre, drückenden Klavierlektionen bei einem spöttischen Lehrer, der in allen meinen Bemühungen nur Zeitvergeudung sah.

Wäre das alte Ideal nicht doch noch heimlich in mir lebendig gewesen, so hätte ich es in diesen Jahren recht gut haben können. Ich war frei und hatte Freunde, war ein hübscher und blühender junger Mensch, ein Sohn wohlhabender Eltern. Für Augenblicke genoss ich alles das, es gab vergnügte Tage, Liebeleien, Zechereien, Ferienfahrten. Aber es war mir nicht möglich, mich dabei zu trösten, meine Pflicht in Kürze abzutun und vor allem meiner jungen Tage froh zu werden. Ohne dass ich davon wusste, blickte mein Heimweh doch noch in allen unbewachten Stunden nach dem untergegangenen Stern der Künstlerschafft aus, es war mir unmöglich, die Enttäuschung zu vergessen und zu betäuben. Nur einmal gelang es mir gründlich.

Es war der törichste Tag meiner törichten Jugend. Ich lief damals einer Schülerin des berühmten Gesanglehrers H. nach. Ihr schien es ähnlich zu gehen wie mir, sie war mit großen Hoffnungen gekommen, hatte strenge Lehrer gefunden, war die Arbeit nicht gewohnt und glaubte schließlich sogar ihre Stimme zu verlieren. Sie legte sich auf die leichte Seite , flirtete mit uns Kollegen und wusste uns alle toll zu machen, wozu freilich nicht gar viel gehörte. Sie hatte die feurige, lebhafte Schönheit, die bald verblüht.

Diese schöne Liddy nahm mich mit ihrer naiven Koketterie immer wieder gefangen, wenn ich sie sah. Ich war nie lange Zeit in sie verliebt, ich vergaß sie oft völlig, aber wenn ich bei ihr war, schlug jedesmal die Verliebtheit wieder über mir zusammen. Sie spielte mit mir wie mit andern, reizte uns, genoss ihre Macht und war selber dabei

steckte Grobheiten und Spott der Lehrer ein проглатывал грубости и насмешки преподавателей
Lob ernten добиваться похвалы, пожинать похвалу
ohne Klang und Takt зд. без занятий музыкой
meine Pflicht in Kürze abtun быстро выполнить задания
sich auf die leichte Seite legen пойти по лёгкому пути; не сопротивляться обстоятельствам

nur mit der neugierigen Sinnlichkeit ihrer Jugend beteiligt. Sie war sehr schön, aber nur wenn sie sprach und in Bewegung war, wenn sie mit ihrer warmen, tiefen Stimme lachte, wenn sie tanzte oder sich an der Eifersucht ihrer Liebhaber ergötzte. So oft ich von einer Gesellschafft heimkam, in der ich sie gesehen hatte, lachte ich mich selber aus und bewies mir, dass ein Mensch von meiner Art unmöglich diese gefällige Lebenskünstlerin im Ernst lieben könne. Manchmal aber gelang es ihr wieder, mich durch eine Geste, durch ein geflüstertes Wort so zu erregen, dass ich die halbe Nacht heiß und wild in der Nähe ihrer Wohnung unterwegs blieb.

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