Герман Гессе - Siddhartha / Сиддхартха. Книга для чтения на немецком языке стр 5.

Шрифт
Фон

Vieles lernte Siddhartha bei den Samanas, viele Wege vom Ich hinweg lernte er gehen. Er ging den Weg der Entselbstung durch den Schmerz, durch das freiwillige Erleiden und Überwinden des Schmerzes, des Hungers, des Dursts, der Müdigkeit. Er ging den Weg der Entselbstung durch Meditation, durch das Leerdenken des Sinnes von allen Vorstellungen. Diese und andere Wege lernte er gehen, tausendmal verließ er sein Ich, stundenlang und tagelang verharrte er im Nicht-Ich. Aber ob auch die Wege vom Ich hinwegführten, ihr Ende führte doch immer zum Ich zurück. Ob Siddhartha tausendmal dem Ich entoh, im Nichts verweilte, im Tier, im Stein verweilte, unvermeidlich war die Rückkehr, unentrinnbar die Stunde, da er sich wiederfand, im Sonnenschein oder im Mondschein, im Schatten oder im Regen, und wieder Ich und Siddhartha war, und wieder die Qual des auferlegten Kreislaufes empfand.

Neben ihm lebte Govinda, sein Schatten, ging dieselben Wege, unterzog sich denselben Bemühungen. Selten sprachen sie anderes miteinander, als der Dienst und die Übungen erforderten. Zuweilen gingen sie zu zweien durch die Dörfer, um Nahrung für sich und ihre Lehrer zu betteln.

»Wie denkst du, Govinda,« sprach einst auf diesem Bettelgang Siddhartha, »wie denkst du, sind wir weiter gekommen? Haben wir Ziele erreicht?«

Antwortete Govinda: »Wir haben gelernt, und wir lernen weiter. Du wirst ein großer Samana sein, Siddhartha. Schnell hast du jede Übung gelernt, oft haben die alten Samanas dich bewundert. Du wirst einst ein Heiliger sein, o Siddhartha.«

Sprach Siddhartha: »Mir will es nicht so erscheinen, mein Freund. Was ich bis zu diesem Tage bei den Samanas gelernt habe, das, o Govinda, hätte ich schneller und einfacher lernen können. In jeder Kneipe eines Hurenviertels, mein Freund, unter den Fuhrleuten und Würfelspielern hätte ich es lernen können.«

Sprach Govinda: »Siddhartha macht sich einen Scherz mit mir. Wie hättest du Versenkung, wie hättest du Anhalten des Atems, wie hättest du Unempndsamkeit gegen Hunger und Schmerz dort bei jenen Elenden lernen sollen?«

Und Siddhartha sagte leise, als spräche er zu sich selber: »Was ist Versenkung? Was ist Verlassen des Körpers? Was ist Fasten? Was ist Anhaltendes Atems? Es ist Flucht vor dem Ich, es ist ein kurzes Entrinnen aus der Qual des Ichseins, es ist eine kurze Betäubung gegen den Schmerz und die Unsinnigkeit des Lebens. Dieselbe Flucht, dieselbe kurze Betäubung ndet der Ochsentreiber in der Herberge, wenn er einige Schalen Reiswein trinkt oder gegorene Kokosmilch. Dann fühlt er sein Selbst nicht mehr, dann fühlt er die Schmerzen des Lebens nicht mehr, dann ndet er kurze Betäubung. Er ndet, über seiner Schale mit Reiswein eingeschlummert, dasselbe, was Siddhartha und Govinda nden, wenn sie in langen Übungen aus ihrem Körper entweichen, im Nicht-Ich verweilen. So ist es, o Govinda.«

Sprach Govinda: »So sagst du, o Freund, und weißt doch, dass Siddhartha kein Ochsentreiber ist und ein Samana kein Trunkenbold. Wohl ndet der Trinker Betäubung, wohl

ward уст. поэт. форма Präteritum глагола werden

ndet er kurze Flucht und Rast, aber er kehrt zurück aus dem Wahn und, n-det alles beim alten, ist nicht weiser geworden, hat nicht Erkenntnis gesammelt, ist nicht um Stufen höher gestiegen.«

Und Siddhartha sprach mit Lächeln: »Ich weiß es nicht, ich bin nie ein Trinker gewesen. Aber dass ich, Siddhartha, in meinen Übungen und Versenkungen nur kurze Betäubung nde und ebenso weit von der Weisheit, von der Erlösung entfernt bin wie als Kind im Mutterleibe, das weiß ich, o Govinda, das weiß ich.«

Und wieder ein anderes Mal, da Siddhartha mit Govinda den Wald verließ, um im Dorfe etwas Nahrung für ihre Brüder und Lehrer zu betteln, begann Siddhartha zu sprechen und sagte: »Wie nun, o Govinda, sind wir wohl auf dem rechten Wege? Nähern wir uns wohl der Erkenntnis? Nähern wir uns wohl der Erlösung? Oder gehen wir nicht vielleicht im Kreise wir, die wir doch dem Kreislauf zu entrinnen dachten?«

Sprach Govinda: »Viel haben wir gelernt, Siddhartha, viel bleibt noch zu lernen. Wir gehen nicht im Kreise, wir gehen nach oben, der Kreis ist eine Spirale, manche Stufe sind wir schon gestiegen.«

Antwortete Siddhartha: »Wie alt wohl, meinst du, ist unser ältester Samana, unser ehrwürdiger Lehrer?«

Sprach Govinda: »Vielleicht sechzig Jahre mag unser Ältester zählen.«

Und Siddhartha: »Sechzig Jahre ist er alt geworden und hat Nirwana nicht erreicht. Er wird siebzig werden und achtzig, und du und ich, wir werden ebenso alt werden und werden uns üben, und werden fasten, und werden meditieren. Aber Nirwana werden wir nicht erreichen, er nicht, wir nicht. O Govinda, ich glaube, von allen Samanas, die es gibt, wird vielleicht nicht einer, nicht einer Nirwana erreichen. Wir nden Tröstungen, wir nden Betäubungen, wir lernen Kunstfertigkeiten, mit denen wir uns täuschen. Das Wesentliche aber, den Weg der Wege nden wir nicht.«

»Mögest du doch,« sprach Govinda, »nicht so erschreckende Worte aussprechen, Siddhartha! Wie sollte denn unter so vielen gelehrten Männern, unter so viel Brahmanen, unter so vielen strengen und ehrwürdigen Samanas, unter so viel suchenden, so viel innig beissenen, so viel heiligen Männern keiner den Weg der Wege nden?«

Ваша оценка очень важна

0
Шрифт
Фон

Помогите Вашим друзьям узнать о библиотеке