Пресслер Мириам - Bitterschokolade стр 9.

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Und Eva hatte gewusst, verstanden, genickt, gelд­chelt.

Michel war immer noch nicht da. Natьrlich nicht. Er wьrde nicht kommen. Nach einer Stunde wьrde Eva traurig und enttдuscht nach Hause gehen, wьrde sich auf ihr Bett legen und weinen. Dann wьrde sie sich das Gesicht mit kaltem Wasser waschen, vielleicht ein Stьck Schokolade essen und lдcheln.

Schon viel frьher hatte sie sich Schokolade in den Mund gesteckt und gelдchelt. Komisch, dass ihr das jetzt einfiel. Das war gewesen, als Erika weggezogen war, Erika, die Freundin, mit der sie schon zusammen im Kindergarten gewesen war. In der zweiten Klasse waren sie gewesen, als Erikas Eltern wegzogen und ihr Erika wegnahmen. Die Mutter hatte Eva in den Arm genommen und ihr eine Tafel Schokolade gegeben. »Was soll man da machen?«, hatte sie die Schmidhuber gefragt. »Sie ist halt so sensibel.« Und die Schmidhu­ber hatte genickt und »Ja, ja« gesagt. Und Eva hatte die Schokolade gegessen, hatte sie im Mund zergehen lassen, herrliche, stumpfe SьЯe, hatte sie geschluckt und geschluckt, die SьЯe, hatte die SьЯe und die Trд­nen geschluckt und hatte in die Beruhigung ihres Mundes und ihres Bauches hineingelдchelt. »Siehst du, Marianne«, hatte die Schmidhuber gesagt, »es gibt doch keinen Kummer, den man nicht mit etwas Gu

tem ein bisschen versьЯen kцnnte.« Eva hatte gelд­chelt.

Und nie hatte sie Erikas Briefe beantwortet.

Sie zupfte dem kleinen Gдnseblьmchen ein Blьten­blatt aus: Er liebt mich, ein zweites: von Herzen, ein drittes: mit Schmerzen, ein viertes: ein wenig, ein fьnf­tes: nein, gar nicht. Es war nicht leicht, dem kleinen Gдnseblьmchen die noch kleineren Blьtenblдtter wirk­lich einzeln auszureiЯen. Als Eva schon ьber die Hдlfte war, er liebt mich, von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig, nein, gar nicht, versuchte sie, mit den Augen die weiЯen Blдttchen abzutasten, herauszufinden, wie es enden wьrde. Das Gдnseblьmchen sah sehr nackt aus, sehr zerrupft. Wьtend warf Eva es ins Gras.

Wie lange saЯ sie schon da? Sie hatte keine Uhr. Der Rasen war ausgedorrt, trocken, graugrьne Grasbь­schel, kurzstoppelig gemдht, nur ab und zu ein winzi­ges Gдnseblьmchen.

»Hallo, Eva.«

»Hallo, Michel.«

»Ich komme zu spдt.«

»Ja.«

»Ich dachte, du wьrdest mich sowieso versetzen.«

»Wieso sollte ich das?«

»Ich weiЯ nicht. Halt so.«

Er trug dasselbe Hemd wie gestern, schwarz, die Zipfel waren so zusammengeknotet, dass man einen Streifen seines braunen Bauches sehen konnte. Er setzte sich neben sie. »Wo hast du dein Schwimm­zeug?«

»Ich mag nicht ins Schwimmbad gehen.«

»Das ist gut. Ich habe nдmlich immer noch kein Geld.«

Er sah mьrrisch aus, schlecht gelaunt.

»Ist was?«, fragte sie.

»Was soll sein?« Er zupfte Grashalme aus, riss sie in kleine Stьckchen, graugrьne, staubige Halme. Er hielt den Kopf gesenkt und schaute auf seine rupfenden Finger, seine braunen, langen Haare fielen nach vorn, verdeckten sein Gesicht, so dass Eva nur noch seine Nasenspitze sehen konnte. Die Worte saЯen ihr im Hals, all die lockeren, lustigen Worte, die sie hatte sa­gen wollen, die Witze, die sie gern gemacht hдtte, das Lachen, das sie gern gelacht hдtte, alles war ihr im Hals stecken geblieben, ballte sich zu einem dicken KloЯ und lieЯ sie schwer atmen. Es war so still. Sie be­mьhte sich, leise tief durchzuatmen, sie wollte nicht keuchen wie ein Walross. Keuchten Walrosse ьber­haupt?

Warum sagte er nichts? Warum sagte sie nichts? War es das, auf das sie gewartet hatte?

Plцtzlich sprang Michel auf. »Komm, wir gehen zum Fluss. Wir nehmen die StraЯenbahn, dann geht's ganz schnell.«

Endhaltestelle der Linie sieben. Sie waren schwarz­gefahren. Michel hatte kein Geld, er hatte auch nicht gewollt, dass Eva eine Karte kaufte. »Schade um das schцne Geld. Dafьr kriegen wir eine Cola.«

Sie liefen durch die Stadtrandsiedlung, ein Haus wie das andere, lange Reihen gleicher Hдuser, gleicher Gдr­ten, gleicher Zдune. »Wenn da einer blau nach Hause kommt, findet er seine eigene Tьr nicht mehr und lan­det bei der Nachbarin im Schlafzimmer«, sagte Michel und lachte.

Eva, unsicher, betroffen, lachte mit.

»Stell dir vor, bei der Nachbarin im Schlafzimmer! Und morgens merkt er erst, dass er nicht mit seiner Alten gepennt hat.« Michels Lachen klang falsch. Sie gingen schweigend weiter, an einem unkrautьber­wucherten Platz vorbei, Mьllabladen-verboten-Schild ьber zerbrochenen Bierflaschen und leeren Цlsardi-nendosen. Zerbeulte Konservenbьchsen, ein alter Gummistiefel. Gelb.

Den Hang hinunter ging Michel vor. Breitbeinig, den linken Arm ausgestreckt, stьtzte er Eva, die keinen Halt fand mit ihren glatten Sandalen, sich nicht richtig bewegen konnte in ihrem engen, blauen Rock, der nicht mehr sehr blau war, und die unbeholfen, un­glьcklich ьber ihre eigene Ungeschicklichkeit, hinter Michel den Hang hinunterrutschte. Dann waren sie endlich unten am Fluss. Es war nicht eigentlich der Fluss, es war ein kleiner Seitenarm, seichter Wasserlauf zwischen Unkraut, an einer Stelle Holunderbьsche, die weiЯen Blьtendolden verbreiteten einen scharfen Geruch. Eva, atemlos von der Anstrengung, keuchte laut. Wie ein Walross, dachte sie. Nun keuche ich doch wie ein Walross.

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